Giorgio Manganelli über München

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Blick vom Turm des Deutschen Museums auf die Isar (Monacensia München)

München ist für mich eine der einzigartigsten Städte in Europa ... Sagen wir, es ist ein einziges Bühnenbild. Aber fügen wir hinzu, dass man dies wörtlich nehmen muss. Bühnenbild ist ein täuschendes Ensemble von Figuren, die etwas vorspiegeln, das existieren kann oder nicht; aber sicherlich ist das Bühnenbild ein vorsätzlicher Betrug, eine fromme Lüge. Das Faszinierende an München ist genau dieses: Es ist eine künstliche Stadt. München strahlt eine überspannte Extravaganz aus, die man nicht übersehen darf. Diese Phantasie beim Einrichten einer königlichen Hauptstadt, diese leicht verrückte Grille, extravagant, luxuriös, ein wenig exhibitionistisch, dieser heitere Hang zum Schnörkel wird begleitet von einer urtümlichen Lebensfreude, als ob die Münchener die klugen und ein wenig faulen Untertanen eines verrückten Königs wären ... Und alle, auch die Fremden, werden wie in einem Königspalast empfangen, und alle erscheinen wie im Theater, wie im Spiel, als ob sie ein wenig faule, aber immer liebenswürdige Untertanen wären.

Giorgio Manganelli, München, eine verrückte und künstliche Stadt, 1993 (Zit. aus: Giorgio Manganelli: München, eine verrückte und künstliche Stadt. In: Konturen. Magazin für Sprache, Literatur und Landschaft. 1/1993, S. 54/5)

 

Giorgio Manganelli (1922-1990), italienischer Schriftsteller; Aufenthalt in München: 1980er Jahre

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek