Hotels, Gasthäuser, Pensionen

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Hotel Vierjahreszeiten, Mitte 1950er Jahre (Monacensia München)

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war es in München wesentlich leichter als heute, eine passende Übernachtungsmöglichkeit zu fin­den. Das Angebot war überschaubar. Der Münchenbesucher konn­te zwischen 24 Weingasthöfen wählen, die neben dem Weinausschank und der Verköstigung das alleinige Privileg hatten, Gäste zu beherbergen. Fünf davon befanden sich in der Kaufingerstraße. Dicht nebeneinander standen hier der „Schwarze Adler“ (Nr. 23), die „Blaue Traube“ (Nr. 25), der „Deutsche Ritter“ (Nr. 26), das „Goldene Kreuz“ (Nr. 28) und der Gasthof „Zu den Drei Mohren“ (Nr. 9). Hatte der Ankömmling erst einmal das Stadttor passiert, musste er sich für den Hof und den Rat gleichermaßen mit dem Tor ­bzw. Gastzettel registrieren lassen. Michel de Montaigne wollte mit seiner Reisegesellschaft wohl zunächst am herzoglichen Hof unter­kommen. Doch man war gerade mit dem Gefolge auf der Jagd, und so musste er sich mit einer einfachen Unterkunft bescheiden. Reisen war teuer. Für die Versorgung der Pferde wurde pro Nacht und pro Pferd eine Stallgebühr von mehreren Kreuzern verlangt.

Der berühmteste Gast des noblen und kultivierten Gasthofes „Zum Schwarzen Adler“ war Johann Wolfgang von Goethe auf seiner Reise von Karlsbad nach Italien. Da er unbehelligt bleiben wollte, meldete er sich am 6. September 1786 unter falschem Namen an. Zwischen 1755 und 1790 war der „Schwarze Adler“ in Besitz eines literarisch gebildeten Ratsherrn, dem die Bedürfnisse seiner weit gereisten Gäste am Herzen lagen. Sie konnten zwischen 38 Zim­mern zum Preis von 24 Kreuzern bis zweieinhalb Gulden für eine Nacht wählen. Zudem standen ihnen vier sprachkundige Lohn­diener für einen Gulden je Tag zur Verfügung. Auch Wolfgang Amadeus Mozart stieg mehrmals im „Schwarzen Adler“ ab. Während der großen Tournee durch Europa hatten die Mozarts ordentlich Geld eingenommen, weshalb man sich im November 1766 den exquisiten Gasthof leisten konnte. Acht Jahre später wurde der „Schwarze Adler“ Schauplatz eines Klavierduells, das sich Wolfgang Amadeus mit dem Virtuosen Ignaz von Beecke lieferte. Der venezianische Abenteurer Giacomo Casanova stieg 1756 im „Goldenen Hirsch“ in der Theatinerstraße ab, damals neben dem „Schwarzen Adler“ die beste Adresse Münchens. Zu den honorigen Gästen gehörten Leopold Mozart mit seinen Kindern Nannerl und Wolfgang Amadeus (1763), der Opernkomponist Christoph Willi­bald Gluck (1774), der Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing als Begleiter des Prinzen von Braunschweig (1775), der Habsburger Kaiser Joseph II. (1781) und die irische Hochstaplerin Maria Dolores Eliza Rosanna Gilbert, besser bekannt unter dem Namen Lola Montez (1846).

Links: Hotelwerbung, 1905. Mitte: Hotelwerbung, 1905. Rechts: Vorstadtarmut, um 1900 (Monacensia München).

Anfang des 19. Jahrhunderts wandelte sich München in wenigen Jahrzehnten von der mauerumschlossenen Residenzstadt in eine für alle offene Hauptstadt. Die Zunftprivilegien der Weinwirte galten nicht mehr, moderne Grandhotels lösten die traditionsreichen Weingasthöfe ab. Sie hatten die Kapazitäten, die Flut an Bahnreisenden aus dem In- und Ausland aufzunehmen. Auf Anregung König Ludwigs I. entstand als Erstes 1840 der luxuriöse „Bayerische Hof“ am Promenadenplatz. Knapp zwanzig Jahre später wurde in der Maximilianstraße das renommierte „Hotel Vier Jahreszeiten“ eröffnet. Für Musiker wie Gustav Mahler war die Lage in unmittel­barer Opernnähe geradezu ideal. 1892 kam das noble „Hotel Continental“ in der Ottostraße dazu. In dem „Fürstenpalais“ logierten wiederum Gustav Mahler, Rainer Maria Rilke, Winston Churchill und König Alexander von Jugoslawien. 1908 eröffnete das Regina-Palast-Hotel in der Maximilianstraße.

Weniger betuchte Stadtbesucher, Touristen, Studenten, Literaten und Künstler übernachteten in den vielen Pensionen, die um 1900 aus dem Boden schössen. Der zwanzigjährige Franz Kafka nächtig­te Ende November 1903 in der Pension Lorenz am Botanischen Garten. Von seinem Pensionszimmer in der Sophienstraße 15 war er schnell im Café Luitpold. Die bekannteste Künstlerpension Mün­chens war die Pension Fürmann in der Belgradstraße. Der Schwei­zer Heinrich Fürmann hatte einen Pferdestall in eine Pension umge­baut, aus ehemaligen Pferdeboxen wurden Zimmer, aus dem Hof ein romantischer Garten. Die Gäste blieben oft über ein Jahr, häufig wurden Mieten gestundet, Essen und Trinken kosteten fast nichts. Kein Wunder, dass die Pension Künstler aus aller Welt anzog, darun­ter „behaarte Kulturträger des Balkans, blondgeschneckelte Nord­landmädchen und ausgeschlüpfte Provinzpennäler, die der lichte Schein der Kunststadt hoch und fern am Himmel des Lebens her­beigelockt hat“ (René Prévot).

Links: Hotelwerbung, 1900 (Monacensia München). Mitte: Beim Wirt, 1837 (Münchner Stadtmuseum). Rechts: Hotelwerbung, 1905 (Monacensia München).

Wer länger in München blieb, nahm sich eine Wohnung. Das Mieten war eine unkomplizierte Sache: Wollte man nach einer bestimmten Zeit wieder woanders leben, zog man aus; kam man zurück, suchte man sich jeweils zu den „Quartalstagen“ eine neue Bleibe. Der nor­wegische Schriftsteller Henrik Ibsen machte es während seiner Münchner Jahre von 1875 bis 1891 mit Unterbrechungen so. Studen­ten mieteten sich bei einer Wirtin in einem möblierten Zimmer ein. Die Miete zahlte man ihr wöchentlich bar auf die Hand. Dafür gab es frische Bettwäsche und einen Kaffee zum Frühstück, manchmal auch einen mütterlichen Rat. Der junge Student Rainer Maria Rilke literarisierte in der Erzählung Ewald Tragy seine Erlebnisse bei der Wohnungssuche in München im September 1896: „Verzeihen Sie, hier ist wohl ein Zimmer für einen Herrn, nicht wahr?“ Er läutet, wartet und sagt es höflich, hochdeutsch und mit bescheidener Betonung. Eine große breite Frau drängt ihn gleich links in eine Tür, ehe er mit seiner Frage zu Ende ist. „Wissen S', ich sag's gleich, wie es is: Sauber is's. Und wenn S' sonst noch was brauchen ...“ Und da­mit erwartet sie, die Hände in die Hüften gestemmt, seine Entschei­dung. Und wie nun der junge Mann so gar nichts sagt und sich kaum umsieht in dem dunklen Zimmer, fügt die Frau zögernd an: „Und 's macht halt zwanzig Mark im Monat samt Frühstück, so viel haben wir halt immer bekommen.“ Der junge Schweizer Le Corbusier tat sich vierzehn Jahre später bei seiner Wohnungssuche schon schwerer. Für seinen Studienaufenthalt von April bis Oktober 1910 schau­te er sich mindestens zwanzig Zimmer an, bevor er in der Lotzbeckstraße „Chez Frau Vogt“, nahe der Staatsbibliothek, doch noch ein passendes Zimmer fand.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2008): „… und dazwischen ein schöner Rausch“. Dichter und Künstler aus aller Welt in München. Mit zahlreichen Farb- und Schwarzweißabbildungen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 33-37.