Weltausstellung

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New York Crystal Palace, Architekt Karl Gildemeister. Farbiger Öldruck von George Baxter, London, 1853.

Müsste eine Ausstellung der Welt nicht extraterrestrisch stattfinden? Die Welt, unterteilt in Nationen (um 1850 war man noch dabei dies vorzunehmen), vereint unter einem Dach, einem Glasdach. Eine Schneekugel. Wann wurde sie auf den Kopf gestellt? Auf Wikipedia gibt es eine Zeichnung des Gebäudes der Weltausstellung 1853 in New York, der zweiten überhaupt nach der in London 1851. Gusseisen und Glas, eine mächtige Kuppel thront auf dem Kreuzwegsschnittpunkt der vier Hallen. Vor dem Gebäude ist eine Menschenmenge zu sehen. Alle strömen dem Eingang zu. Alle? Vorn in der Mitte stehen drei Indianer (das scheint hier das angemessene Wort zu sein), mit Togen bekleidet, die rasierten Köpfe mit Federn geschmückt. Sie diskutieren, einer hat die Hand ausgestreckt und zeigt auf den Palast. Ja, diese Welt hat man euch nun vor die Füße geknallt. Hat sie euch vor den Kopf gestoßen.

Ein Stück weiter steht ein Mann mit zwei Werbetafeln vor und hinter dem Leib: Baxter‘s Gems of the Exhibition Now Exhibiting in the Crystal Palace. Das ist die einzige Schrift, die auf dem Bild zu sehen ist. Dem Mann gegenüber stehen zwei Frauen mit langen, über Fischbein gebauschten Kleidern und Hauben auf den Köpfen, außerdem noch ein Paar, der Mann trägt wie die meisten Männer auf dem Bild einen Zylinder. Links, hinter dem Werber, befindet sich eine Gruppe von Männern, die ich als 1 Russen (Pelzmütze, Vollbart, bauchige Hose), 1 Tataren (?, diese Kopfbedeckung wie ein Filzhut, um den turbanartig ein Tuch geschlungen ist, Kleid, Stiefel, Überwurf über der linken Schulter), 1 Chinesen in einem einfachen weiten Mantel (etwas wie Wickelgamaschen an den Beinen und ohne Kopfbedeckung) identifiziere. Zwei Soldaten mit Federbüschen auf ihren Dreispitzen traben auf Pferden. Eine Frau (im Damensitz? Das ist nicht klar zu sehen, aber ihr Kleid legt es nahe) und ein Mann, beide wohl Amerikaner, galoppieren heran. Mehrere Menschen sitzen in Kutschen. Zwei Schwarze hocken jeweils auf Kutschböcken. Wer gehört zur Welt und wer hat hier nichts zu suchen?

1968 entstand das erste Farbfoto von der Erde während einer so genannten Raummission. „Here's the Earth coming up. Wow, is that pretty!“, soll der Astronaut gerufen haben. Das Foto Earthrise erschien auf dem Cover der Zeitschrift The Whole Earth Catalogue. Herausgeber Stewart Brand sagte über die NASA-Aufnahmen: „They gave the sense that Earth's an island, surrounded by a lot of inhospitable space.“

Etwas von außen zu betrachten gilt meistens als die kühlere Perspektive. Vielleicht ist das Gegenteil richtig? Schiffe laufen Inseln an; Nuku Hiva, Teil der Marquesas-Gruppe in der Südsee, ist eine davon. Dort floh Melville 1842 von seinem ganz persönlichen Geisterschiff, dem Walfänger Acushnet, zu den womöglich menschenfressenden Typees. Drei, vier Jahre lang konnte so ein Walfänger auf Fahrt sein. Was für ein Zeitgefühl, was für ein Raumgefühl erzeugt es, so lange auf einem schwimmenden Eiland zu leben?

Raumschiffe dringen in das unwirtliche, unüberquerbare Meer des Alls. Der Mond ist zur Zeit die einzige anzulaufende Insel. Einem unbestätigten Bericht zufolge soll ein dritter Mann, der blinde Passagier Ishmael Jackson, sich zusammen mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf der Mission Apollo 11 befunden haben. Während die beiden noch diskutierten, wie mit ihm zu verfahren sei (auf keinen Fall durfte er auf einer Aufnahme vom Mondspaziergang auftauchen), schlich Jackson sich in einem geklauten Ersatz-Raumanzug von Bord des Landers und hinterließ seinen Fußabdruck auf dem Mond. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt, dass er mit den anderen zur Erde zurückgekehrt sei, ist nicht mal ein Gerücht. Vielleicht wartet er auf das nächste Schiff? Wie oft hat er dort oben die Erde aufgehen sehen? Findet er den Anblick immer noch schön, vielleicht sogar schöner als zu Anfang?

Untergang der Pequod, des Walfangschiffs in Moby-Dick. Aufgang des industriellen Zeitalters. Untergang der Titanic, ein angeblich unsinkbares Schiff. Unendliche Weiten –

Verfasst von: Thomas Lang

Sekundärliteratur:

Earthrise: Story behind our December Cover (fdtimes.com)