Literary Mann Twins auf Weltreise

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Klaus und Erika Mann (c) Archiv Monacensia

In seinem Lebensbericht Der Wendepunkt berichtet Klaus Mann von einem Spaziergang mit seiner Schwester Erika an einem Sommerabend im August 1927 am Starnberger See. Sie war damals an den Münchner Kammerspielen engagiert und trat in Bruno Franks Theaterstück Zwölftausend auf, das den Soldatenhandel im 18. Jahrhundert zum Inhalt hatte. Als Erika am See eintraf, befand sie sich in einer eigenartigen Stimmung des Überdrusses. „Ich wäre lieber anderswo“, gestand sie ihm schließlich, „zehntausend Meilen weg von hier“. Klaus hatte Verständnis für ihren Zustand. Die Verrisse seines Stückes hatten ihm stärker zugesetzt, als er erwartet hatte. Sein Leben erschien ihm reiz- und perspektivlos. Also beschlossen die unzertrennlichen Geschwister an diesem Abend in der bayerischen Idylle, die Erika so liebte, „ein bisschen nach Amerika“ zu gehen und entwickelten die Idee zu einer Expedition quer durch den riesigen Kontinent von der Ostküste zur Westküste.

Bereits vor einigen Wochen hatte sie der amerikanische Verleger Horace Liveright für das nächste Jahr zu einer Vortragsreise durch die USA eingeladen. Klaus telegrafierte umgehend: „Entzückt von ihrer freundlichen Einladung, die mich erst jetzt erreicht – stop – bin bereit in etwa vier Wochen mit meiner Schwester, bekannte Schauspielerin Erika Mann, nach New York abzureisen.“ Er kündigte an, den Winter in Amerika verbringen zu wollen. Auf die Absage des Verlegers, „season now overcrowded“ und den Rat, die Reise auf das nächste Jahr zu verschieben, reagierten sie nicht, sondern bekräftigten ihre Ankündigung mit den Worten: „Es bleibt also dabei... Erwarten Sie uns Anfang Oktober in New York.“ 

Noch bevor sie in die Neue Welt aufbrachen, war der Amerikabesuch der „Literary Mann-Twins“, der Kinder des „berühmten deutschen Schriftstellers Thomas Mann“, Thema in den amerikanischen Medien. Die PR-Arbeit hatte vielversprechend begonnen und war auf großes Interesse in amerikanischen Künstler- und Intellektuellenkreisen gestoßen.

Am 7. Oktober 1927 traten Erika und Klaus in Rotterdam mit dem Passagierdampfer Hamburg die Überfahrt von Europa nach Amerika an, ohne zu wissen, wie lange sie von zu Hause fort sein würden. Ein halbes Jahr lang sollten sie durch die USA fahren und anschließend Hawaii, Japan, Korea und Russland besuchen. Neun Monate sollte die Weltreise insgesamt dauern. Das einzige wirkliche Problem für die beiden Globetrotter war von Anfang bis Ende das Geld. Der Vorschuss, den ihnen der Verlag Boni and Liveright gezahlt hatte, reichte nicht lange – Erika hatte sich sofort ein teures Pelzcape gekauft –, genauso wenig wie die Vorschüsse und Honorare der Magazine und Zeitschriften, in denen sie ihre Reisenotizen publizierten. Mit dem S. Fischer Verlag schlossen sie erst am Ende ihres Amerika-Aufenthalts einen Vertrag für ein Buch ab, das 1929 unter dem Titel Rundherum erschien. Kritische Situationen gab es viele, aber keine wirklich bedrohlichen, eben weil sie wussten, dass der Vater letztlich in die Bresche springen würde. Das tat er schließlich rückwirkend: Nachdem er 1929 den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte, machte er seinen Kindern ein „Nobelpreis-Geschenk“ und zahlte alle Schulden, die sich während der Reise angehäuft hatten.

Klaus hielt an der Columbia Universität in New York sowie an den Universitäten von Princeton, Boston, Chicago und Milwaukee Vorträge über die „Situation der jungen europäischen Generation“. Erika verstand sich damals eher als Schauspielerin und rezitierte aus den Werken moderner deutscher Lyriker: Rilke, Hofmannsthal, Klabund, Benn und Brecht. Klaus hatte die lectures auswendig gelernt. Von Anfang an hatten sie ihre Vortragstätigkeit nur als Vorwand genommen, um die Vereinigten Staaten zu erobern. Beide waren nicht sehr gut auf ihre Veranstaltungen vorbereitet und wiesen erhebliche sprachliche Defizite auf. „Wenn euer Englisch nur besser wäre“, jammerte der Agent, den sie mit der Vermittlung beauftragten. Bei ihren rudimentären Kenntnisssen sah er keine Chance, neue Aufträge für sie an Land zu ziehen. Sie nahmen seine Klagen nicht ernst.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Gunna Wendt