Der ruhige Geschichtenerzähler: Pierre Jarawan

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© Marvin Ruppert

Während sich manche Slammer wohl von Anfang an so fühlen, als seien sie für die Bühne geboren worden, gibt es andere, die sich erst mit dem Rampenlicht anfreunden müssen. So erzählt Pierre Jarawan (*1985) 2012 im Interview mit der tz:

Mich hat es nicht auf die Bühne gezogen, zum allerersten Auftritt haben mich Freunde überredet. Aber mittlerweile habe ich es lieben gelernt. Ich bin souveräner geworden, versuche, mich auf der Bühne nicht zu verbiegen und will mit meiner Sprache überzeugen. Aber Poetry Slam ist ja auch deshalb so faszinierend, weil es so vielseitig ist.

Dies zu zeigen, gelingt Jarawan immer wieder aufs Neue. Der Münchner mit den libanesischen Wurzeln zählt zu den erfolgreichsten Bühnenpoeten des deutschsprachigen Raums und ist baden-württembergischer Landesmeister 2011 sowie deutschsprachiger Meister 2012 im Poetry Slam. Seit 2013 moderiert er zusammen mit Ko Bylanzky den Isar Slam im Ampere.

Ruhig und geistreich, manchmal witzig, jedoch stets tiefgründig und mit viel Liebe fürs sprachliche Detail erzählt Jarawan in seinen Slam-Texten von seiner Familie, von skurrilen Erlebnissen und von prägenden Kindheitserinnerungen und behandelt dabei große Themen wie Heimat, Sprache und Identität. Ein Text, der all dies in einem vereint, ist beispielsweise Ein kleines ABC des Träumens:

Aus den Träumen des Frühlings wird im Herbst Marmelade gemacht. Das sagte einst mein Vater. Wenn er sprach, dann war auf seiner Stirn der Krater eines Denkvulkans zu sehen. Mein Vater zeigte mir die Schönheit der Träume. Er sprach von selbsterdachten Grenzen, in ganz selbst erdachten Räumen. Ich, ich war ein Tagtraumgespenst im Gewand eines Jungen. Ein kleiner Grenzgänger längs am Rand eines stummen Gedankens. Dort blieb ich oft Stunden. Ich träumte vom Träumen und von allerlei Wichten. Und ich schrieb übers Träumen meine ersten Geschichten.
(1:16-2:04 min)

Ähnliche Motive verarbeitet er auch in seinem ersten Roman Am Ende bleiben die Zedern (2016) und beweist dabei, dass er nicht nur kurze, sondern auch lange Geschichten stimmungsvoll und fesselnd erzählen kann. Sein zweiter Roman Ein Lied für die Vermissten erscheint im März 2020.

Verfasst von: Marina Babl

Sekundärliteratur:

tz-Interview

Externe Links:
Website von Pierre Jarawan