Auf der Wiesn

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© Comicaze / Volk Verlag

Das Phänomen Oktoberfest lockt nicht nur Millionen von Touristen und Einheimischen jedes Jahr auf die Theresienwiese, sondern hat auch immer wieder Literaten, Autoren und andere Künstler inspiriert, sich damit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig prägt es irgendwie auch das Bild des Baiern im Ausland, was wiederum Fluch und Segen sein kann.

Wenn Bilder, Bücher und Filme die Wiesn als Vorder- oder Hintergrund, Erzählanlass oder Lokalkolorit nutzen, dann ist es nur recht und billig, wenn dies auch im Comic passiert. Es sind vor allem (Wahl-)Münchner, die dem Fest ein zeichnerisches Denkmal setzen. Oktoberfest (2010, Zeichnungen von Cyril Mariaux, Texte von Vincent Minner), der Titel sagt bereits alles.

Mein allererster Besuch auf dem Oktoberfest ging ziemlich schief. Ich war allein, ohne Lederhose und hatte leider kein Bier getrunken. Im nächsten Jahr beschloss ich, dieses Mal mit Begleitung zu erscheinen, zwar immer noch ohne Lederhose, aber dafür mit einem Haufen fröhlicher Freunde. Nach der ersten frischen Maß fing ich endlich an, mich zu Hause zu fühlen. [...] Ich kann Ihnen leider nicht von meinem dritten Besuch erzählen, da ich mich echt nicht daran erinnern kann. (S. 5)

Pragmatisch beschränkt sich die Graphic Novel von zwei in München lebenden Franzosen auf das Wesentliche: einen fiktiven Besuch eines Franzosen auf dem  Oktoberfest. Der Bildband wird dabei zur ethnologischen Studie, wie ein Forscher bewegt sich der Erzähler und damit der Rezipient durch das Gedränge und  beobachtet das seltsame Treiben der ganz eigenen Spezies Oktoberfestbesucher und der nicht ganz erklärbaren Bräuche der Einheimischen. Zusammenhänge werden durch süffisante Kommentare erläutert:

Am ersten Tag die Eröffnungsfeier: Traditionsgemäß muss der Bürgermeister das Fass anzapfen und das erste Bier trinken. Jedes Jahr kann er deshalb in der Nacht davor kein Auge zumachen aus Angst zu versagen. (S. 7)

Aus dem gleichen Jahr stammt Wiesn-G'schichtn (Comicaze e.V.). Der offizielle Comic zum 200. Geburtstag des Oktoberfestes bietet seinerseits den Blick von innen heraus auf das Geschehen. Hier wird zum einen die Geschichte des Volksfestes in Anekdoten und Erinnerungen an Münchner Originale wie Franz Xaver Krenkel, den Steyrer Hans oder die Bavaria rekapituliert. Zum anderen zeigt die Anthologie einen Bilderbogen des Treibens, der zwar auch das Oktoberfest-Attentat und die NS-Zeit thematisiert, aber dennoch den verbindenden Charakter des ganzen Geschehens in den Mittelpunkt stellt. Die Furcht des Bürgermeisters vor dem Anzapfen ist übrigens auch eine Geschichte wert.

Amerikaner haben ein ganz spezielles Verhältnis zum Oktoberfest, sie schätzen es so sehr, dass sie es sogar importiert haben. Da mag es nicht verwundern, dass auch die Ducks immer wieder mal dort landen. Es muss aber eingeräumt werden, dass hier nicht US-Zeichner wie Carl Barks am Werk sind. Vielmehr  handelt es sich dabei um Eigenproduktionen des Ehapa-Verlags für den deutschen Markt. Der Münchner Jan Gulbransson hat in Die Ducks in Deutschland (2013) auch eine Episode in seine Heimatstadt verlegt. Dort begibt man sich bei einer Schatzsuche nicht nur ins Hofbräuhaus und Glockenspiel, sondern auch auf das gerade stattfindende Oktoberfest: „Oktoberfest im September! Jemand sollte diesen Bayern mal richtig gehende Kalender verkaufen.“ (S. 53) Und auch hier, man ahnt es schon, ist das Anzapfen wichtige Komponente. Allerdings müssen sich schwer eingespannte Milliardäre auf ihre Geschäfte konzentrieren und können nicht dem Rausch verfallen. So sind die Wiesnwirte schweren Herzens dazu gezwungen, von den Sanitätern geholten Kamillentee ins Fass zu füllen. Womit das Grundproblem der Disney Comics mit dem Oktoberfest deutlich geworden wäre: Bierleichen und Alkoholkonsum passen nicht wirklich zum Image der Familienunterhaltung.

So gibt es bei Eiadanz im Oibnland von Urios im Lustigen Taschenbuch Mundart bairisch 1 (2016) überhaupt kein Bier. Und da der Aufenthalt für Enten auf der Wiesn eigentlich grundsätzlich lebensgefährlich wäre, gibt es auch kein Grillgeflügel, sondern lediglich Riesen-Hotdogs.

 

Quellen:

Cyril Minner Mariaux; Iris von Vincent Carnap: Oktoberfest. Volk, München 2010.

Jan Reiser (Hg.): Wiesn-G'schichtn. Volk, München 2010.

Jan Gulbransson: Die Ducks in Deutschland. Ehapa, Berlin 2013.

Walt Disney: Lustiges Taschenbuch Mundart. Münchnerisch. Egmont, Berlin 2016.

 

Externe Links:

Bildbeispiele

Rezension in der Süddeutschen Zeitung

Rezension in Die Welt

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Ingold Zeisberger