Internierungslager

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Dienstbrief aus dem Internierungslager Le Vernet von 1941.

Nachdem Frankreich am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklärt, verfügt Premierminister Daladier die Internierung der im Land befindlichen Deutschen. Am 23. September wird Lion Feuchtwanger zum ersten Mal interniert. Als er am 4. Oktober entlassen wird, sind seine Konten gesperrt und eine erneute Verhaftung schwebt wie ein Damoklesschwert über ihm:

Von dem Augenblick an indes, da ich damit rechnen musste, ein zweites Mal interniert zu werden, verlor mir die Landschaft ihre Farbe, mein ganzes Leben seinen Geschmack. Es war dabei noch gar nichts entschieden, aber innerlich wusste ich, dass alles entschieden war, und die peinigende Erwartung dessen, was da kommen wird, zerstörte die Fähigkeit, das, was da war zu genießen. [...] Ganz tief innen steckt wohl in uns allen ein solches Gefühl ständigen Bedrohtseins: wir haben es nur verdrängt, wir haben uns die Angst abgewöhnt [...] Wenn ein Wagen den kleinen Hügel herauffuhr, wenn jemand kam, immer glaubte ich: jetzt kommen sie, jetzt holen sie dich.

(Lion Feuchtwanger: Teufel in Frankreich. Ein Erlebnisbericht. Langen Müller Verlag, München/Wien 1983, S. 15f.)

Im Mai 1940 wird Feuchtwanger ins Internierungslager Les Milles gebracht. Sein amerikanischer Verleger Ben Huebsch bemüht sich monatelang um seine Befreiung. Als alte Frau verkleidet glückt Feuchtwanger schließlich in einem Taxi die Flucht. Im Wohnhaus des amerikanischen Konsuls in Marseille hält er sich versteckt, ehe er im Herbst 1940 auf ein Schiff in Richtung USA gelangt. Im Internierungslager trifft Feuchtwanger unter anderem auf Franz Hessel und seinen Sohn Ulrich, die ebenfalls im Mai 1940 interniert worden sind. Im Herbst dürfen Vater und Sohn, gezeichnet von den Strapazen der Haft, nach Sanary-sur-Mer zurückkehren, wo Franz Hessel am 6. Januar 1941 stirbt.

Ein anderes berüchtigtes Internierungslager ist Le Vernet am Rande der Pyrenäen. Hier sitzt der Schriftsteller und ehemalige Reichstagabgeordnete Gustav Regler ein:

Vernet war ein gespenstischer Friedhof. Die Baracken standen wie Riesensärge in der Ebene. Und als ob ihr Inhalt pestkrank sei, war ringsum die Erde kahlgefressen und Stacheldrähte hielten die Natur ab, sich an die gefährlichen Totenkisten heranzumachen… Der Wind pfiff von den Schneebergen… Immer mehr Ratten flüchteten in unser dünnes Stroh vor dem tödlichen Frost… Der Tod ging um und griff sich die Opfer. Die er vielleicht erst nach Jahren niederlegen wollte.

(Gustav Regler: Sohn aus Niemandsland. In: Diwery, Albert [1983]: Gustav Regler. Bilder und Dokumente. Saarbrücker Druckerei und Verlag, Saarbrücken, S. 67)

(Obschernitzki, Doris [1999]: Letzte Hoffnung: Ausreise. Die Ziegelei von Les Milles 1939-1942: Vom Lager für unerwünschte Ausländer zum Deportationszentrum. Hentrich & Hentrich, Berlin)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl