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Eberhard

... probiert´s einfach aus, wie es sich anfühlt, wenn man die Fantasie ins Reale holt.

Sonja erzählte – da war es schon spät und die Stimmung im Nachtcafé kuschelig – sie würde sich gerne mal in Pudding wälzen. In warmem Pudding, genauer. Das wäre so eine erotische Fantasie von ihr, die sie anrege, wenn sie daran denke. Schokoladenpudding?, fragte ich und sie lächelte, ja, richtig. Sie stellte sich vor, sich rückwärts hineinfallen zu lassen, plumps, der Pudding wäre weich und warm und dufte ganz süß. Nackt?, wollte ich wissen, mit trockenem Mund. Sie nickte. Natürlich, schließlich sei es eine erotische Fantasie und in dieser trage man nur selten Unterwäsche. Sie legte ihre warme Hand auf meinen Unterarm. Hübsche Grübchen zeigten sich auf ihren Wangen.

Schon lange hatte ich mir gewünscht, sie würde mir mal ein intimes Geheimnis verraten, doch nun wusste ich ehrlich gesagt nicht viel damit anzufangen. Pudding aß ich als Kind ganz gerne, mehr fiel mir nicht dazu ein, dann riss der Strom der Assoziationen ab. Ich hakte nach. Wenn sie sich in Pudding wälzt, hypothetisch, was geschieht danach? Rat mal, kicherte sie. Ob sie es denn schon mal ausprobiert habe, fragte ich mit einer gewissen Röte im Gesicht, die einer Ampel, vor der man halten muss, durchaus nahe kam. Natürlich nicht, es sei ja nur eine Fantasie. Dr. Oetker? Egal, sagte sie. Mich aber hatte es gepackt. Ich wollte nun wissen, wie viele Päckchen man dazu kaufen und verrühren müsste, und sie blickte mich vorwurfsvoll an. Ich solle nicht immer so pragmatisch sein, so zupackend im Realen verhaftet. Lieber mal locker lassen, unverkrampft. Ich tat ihr den Gefallen. Völlig gelockert rechnete ich aus, dass in eine Badewanne so hundert Liter passen, also ergäbe das hundert Päckchen Schokoladenpuddingpulver, eine ganz schöne Menge, am besten, man würde stets mehrere gleichzeitig mit der elektrischen Gartenschere aufschneiden, damit es schneller geht. Viel Milch bräuchte man auch noch, das wäre kein billiges Vergnügen, auch wenn man beim Discounter zuschlägt.

So machte ich es dann auch. Holte Milch und Puddingpulver mit der Schubkarre bei Aldi am Frankfurter Ring und schaffte es zu mir in die Neustifter Straße. Bastelte einen Rahmen, zwei auf zwei Meter, Sperrholzplatten als Seitenwände, legte Teichfolie hinein, stellte es in mein Wohnzimmer, nachdem ich ein paar Möbel bei Freunden in der Graf-Konrad-Straße untergebracht hatte. Verabredete mich mit ihr. Kochte einen lieben langen Tag nur Pudding und füllte ihn in den Rahmen. Mit einer darunter liegenden Heizdecke hielt ich ihn körperwarm.

Als sie am Nachmittag endlich kam, hatte sie zu meiner Überraschung eine Freundin mitgebracht, Grete aus Lüneburg. Die wäre zufällig gerade vorbei gekommen und würde mir doch sicher nichts ausmachen, oder? Nö, nö, gab ich mir Mühe, meine wild purzelnden Gedanken unter den Teppich zu kehren. Grete reckte derweil ihr Stupsnäschen in die Luft und schnupperte. Nach was es hier so intensiv riechen würde, wollte sie wissen. Pudding, sagte ich. Pudding? Lecker.

Im Wohnzimmer wurde es schwierig, sich zu dritt gemütlich zu setzen, ohne irgendwann mit einem Fuß in den Pudding zu treten. Ich gab den beiden kleine Löffelchen zum Probieren, aber sie bedauerten, gerade keinen Appetit auf Süßes zu haben. Die Figur verlange da eiserne Disziplin. Die Stimmung war doch etwas angespannt. Meine Argumentationskette, warum ich hundert Liter warmen, verzehrbereiten Pudding in meinem Wohnzimmer stehen hatte, erschien ihnen lückenhaft und nicht an allen Stellen logisch. Grete wollte bald gehen, was ich verstand. Sonja warf mir finstere Blicke zu, die sich sehr spitz anfühlten. Sie nahm es mir übel, ihre erotische Fantasie in die schnöde Wirklichkeit von Sperrholz und Teichfolie und Neustifter Straße-Ambiente gezerrt zu haben. Meine kleine Bude wäre auch keinesfalls die Umgebung gewesen, die sie in Gedanken gesehen hatte. Außerdem hätte ich auch kaum Ähnlichkeit mit ihrem süßen Puddingprinz. Sie deutete dabei auf das Bild von Bruno Mars auf einer herumliegenden Illustrierten. Sie verließ mich mit knappem Gruß.

Als später am Abend das Fernsehprogramm langweilig war, dimmte ich das Licht, zog mich rasch aus und ließ mich rückwärts in den Pudding plumpsen. Es spritzte bis hoch zur Decke, was die spätere Reinigung nicht erleichterte. Sehr erotisch fand ich’s leider nicht. Na ja, war halt auch ihre Fantasie, nicht meine.


Den ganzen Spaziergang auf der Karte verfolgen ...

Verfasst von: © Andreas Kurz, 2011

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