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Priester Josef Rauchenbichler (1790-1858). Foto: Ingvild Richardsen.

Kloster-Pforte: Zeit der Schließung und ein Festspiel

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Foto: Ingvild Richardsen.

Nicht nur aus der Vergangenheit, auch aus der Gegenwart sind Texte von Äbtissinnen und Klosterfrauen erhalten. Etwas Spektakuläres findet sich heute im Archiv des Klosters Frauenchiemsee aus dem Jahr 1938. Es war Frau Eugenia Stahl OSB, die zur Hundertjahrfeier des Klosters am 21. März 1938 das Festspiel Zeitenwende schrieb. Das dreiaktige Handlungsgeschehen ließ sie mit der Klosteraufhebung im Jahr 1803 beginnen und mit der Wiedererrichtung als Benediktinerinnenkloster im Jahr 1938 enden. Das Festspiel stellt insofern ein wichtiges literarisches Zeugnis dar, als es aus alten Quellen des Klosterarchivs schöpft und aus der Perspektive des Klosters Frauenchiemsee die Auflösung des Klosters ebenso wie die 30 Jahre später erfolgte Klosterwiederherstellung im Jahr 1838 vorführt. Das Theaterstück wurde 1938 und 1988 von Klosterfrauen und Schülerinnen des Klosters im Kloster Frauenchiemsee mit musikalischer Untermalung aufgeführt.

1803 setzte man in Bayern den Reichsdeputationsbeschluss um, der zur Auflösung aller Klöster in Bayern führte. Zur damaligen Zeit empfand man die Klöster und das klösterliche Leben als nicht mehr zeitgemäß. Auch Frauenchiemsee war davon betroffen. Weder seine lange Geschichte noch der Titel „Königliches Stift“ konnten es vor der Schließung bewahren und schützen. Das gesamte Eigentum des Klosters ging in den Staatsbesitz über, nur die notwendigsten Gegenstände wurden dem Kloster noch belassen. Viele Einrichtungsgegenstände versteigerte man öffentlich. Schriften, Urkunden und Bücher brachte man in staatliche Archive und Bibliotheken, Gesang und Messbücher fanden ihren zukünftigen Ort oft in Museen. Vieles ging aber auch verloren.

Das Festspiel startet mit der Bekanntmachung der Auflösung des Klosters Frauenchiemsee durch die Regierung am 22. März 1803 vor dem Gitter des „ordinären Redezimmers“ des Klosters Frauenchiemsee. Geschildert wird später auch die Durchführung der Anordnung und der Raubbau, der mit den literarischen Archivalien betrieben wurde:

Frau Theresia: „Heute morgen im Sprechzimmer war die Gewalt noch eingehüllt in Höflichkeit. Es hörte sich so harmlos an, was uns genommen, so fürsorglich, was zum Einsatz dafür gegeben werden sollte. Ich war zutiefst erregt als ich mit eigenen Augen sah, wie die Besitzerergreifung vor sich geht: wie weit mit der Gier des Diebes, der in Angst ist, nicht genug zu raffen, die Komission sich auf die hl. Gefässe stürzt und kaum zurücklässt, dass bei uns das hl. Opfer noch gefeiert werden kann, wie rücksichtslos 1200 Bücher unserer Bibliothek verschleudert oder in den See geworfen werden, weil man zu München die Aszetika nicht brauchen kann, und wie barbarisch seltene Werke früher deutscher Kunst, gleich kostbar durch erlesene Arbeit, wie durch hohes Alter, nur nach dem Gold= und Silberwert beurteilt und eingeschmolzen werden. – Mir war auf einmal klar: hier geht noch mehr zugrunde, als unser altes Stift. Hier bricht die Welt ein in den geistlichen Besitz und nimmt das ihrige, nimmt alles, was mit ihr verwandt ist, nimmt Reichtum, Macht und Ehre – hier ist Zeitenwende“

(Eugenia Stahl OSB: Zeitenwende, 1938, S. 10)

Das Kloster musste nach 1803 tatsächlich seinen völligen Niedergang erleben. Die Nonnen wurden in den Pensionsstand versetzt und erhielten täglich 1 Gulden, die Laienschwestern 45 Kreuzer. Auch die im Dienst des Klosters stehenden Personen und alle Inselbewohner hatten unter der Säkularisation zu leiden. Das Hofrichterhaus des Klosters mit seinen Nebengebäuden fiel 1804 bei einer Versteigerung für nur 610 Gulden an den Tuchmachermeister Josef Krämer aus Iglau (Mähren). Das ehemalige Brauhaus mit mehreren Nebengebäuden, das man für 3000 Gulden angeboten hatte, landete nach mehreren Verkäufen letztlich 1818 bei Daniel Dumbser (1786-1854), der bereits seit 1811 auf Herrenchiemsee als Braumeister wirkte und nun daraus den Gasthof Zur Linde machen sollte.

Titelblatt d. Festspiels Zeitenwende, Klosterarchiv Frauenchiemsee. Daneben: Erster Schulprospekt um 1840. Foto: Ingvild Richardsen.

Nach mehr als 30 Jahren kam dann die Rettung für das Kloster Frauenchiemsee in Gestalt des Priesters Josef Rauchenbichler (1790-1858). Im Verbund mit willensstarken Nonnen, die 30 Jahre die Stellung gehalten hatten, nahm er die Restauration des alten Klosters in die Hand. König Ludwig I. verdankte es tatsächlich seine „Wiedergeburt“ am 21. März 1838. Nachdem der König das Kloster im August 1837 besichtigt hatte, traf bereits im Dezember desselben Jahres die Urkunde über die Wiedererrichtung des Benediktinerinnen-Klosters Frauenchiemsee mit einem Anfangskapital von 3 600 000 Gulden ein. Dies alles auch unter der Bedingung der Führung eines Pensionats für bürgerliche Mädchen im Kloster. Die Eröffnung des neuen Erziehungsinstituts am 10. September 1840 wurde durch ein Inserat in der Bayrischen Landbötin öffentlich bekanntgemacht. Hier wurde das Kloster durch seine Lage im See als einmalig gepriesen und herausgestellt, dass den weiblichen Zöglingen in den weitläufigen Gebäuden helle Räume zur Verfügung ständen.

Auch das Festspiel zur Hundertjahrfeier im Jahr 1938 endet damit, wie es durch den Priester Joseph Rauchenbichler und König Ludwig I. zur Wiederherstellung des Klosters und der Einrichtung einer Schule für Mädchen aus bürgerlichem Stand mit entsprechenden Erziehungszielen kommt:

Dann ist die Einrichtung der Schule nicht mehr fern. Man will zu Frauenchiemsee nicht die Zöglinge mit dem falschen Schimmer eines Glanzes überziehen, den der Hauch der Zeit bald wieder hinwegnimmt. Man will den Eltern an Herz und Geist gesunde Kinder zurückgeben. Religiös gebildet und mit gründlichen Kenntnissen bleibend ausgerüstet, sollen sie einst tüchtige Hausfrauen werden, die den guten Samen, der hier in ihre jugendlichen Herzen gepflanzt worden ist, zum Wohl des Staates auf künftige Geschlechter übertragen werden. Die Pflege klösterlichen Sinnes soll unseren jungen Nachwuchs für die Erziehungsarbeit tüchtig machen. So hoffen wir die edle Absicht unseres zweiten Stifters zu erfüllen. In Frauenchiemsee wird man nie vergessen, Ludwigs des Ersten Andenken zu ehren und für sein Wohl zu beten in Dankbarkeit des Herzens.

(Eugenia Stahl OSB: Zeitenwende, 1938, S. 58f.)

Mit sechs Schülerinnen zwischen 8 und 17 Jahren begann damals der Unterricht. Die Schülerzahlen blieben in den ersten Jahren noch gering, erst nach der Einführung der Dampfschifffahrt 1845 erfolgte ein Anstieg. Nach 1850 betrug sie an die vierzig, gegen die Jahrhundertwende neunzig Schülerinnen. Bis 1860 stammten die Schülerinnen fast alle aus Oberbayern. Ihre Väter waren Kaufleute, Handwerker, Gastwirte, Bierbrauer, Förster, Ärzte und Lehrer. Der Pensionspreis war zu diesem Zeitpunkt noch gering: Er betrug jährlich 115 Gulden. die in 4 Raten zu zahlen waren. 1872 wurde der Preis auf 101 Mark erhöht, im Jahr 1885 betrug er dann 400 Mark.

Mit dem Tod der dritten Priorin Johanna Sedlmayer 1889 endete der von dem Priester Joseph Rauchenbichler geprägte Zeitabschnitt. Als am 5. Mai 1889 Lioba von Hörmann die Priorin des Internats wurde, trennte sie das Pensionat jetzt stärker vom Konvent ab, zudem führte sie nun auch Klausurschlösser ein. Im Jahr 1898 traf ein Anerkennungsschreiben der Regierung über den ausgezeichneten Französischunterricht im Kloster Frauenchiemsee ein. Ein Programm für die Schulschlussfeier 1899 zeigt, dass großer Wert auf die musische Erziehung gelegt wurde.

Beginnend mit der Wiedererrichtung 1838 begann man im Kloster wieder damit eine Kloster- und eine Totenchronik zu führen. In der Folge entstanden nun auch viele Schriften von Klosterfrauen und Äbtissinnen, die in Zusammenhang mit dem Schulunterricht und der Bildung im Kloster Frauenchiemsee stehen.


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

o.Vf. (2003): Erziehungs-Institut im Kloster Frauen-Chiemsee. Erster Schulprospekt um 1840. In: Kloster Frauenchiemsee 782-2003. Hg. v. Walter Brugger und Manfred Weitlauff. Weißenhorn, S. 450.

Olbrich, Luitgard; Schütz, M. Magdalena (2003): Schulgeschichte von Frauenchiemsee. In: Kloster Frauenchiemsee 782-2003. Hg. v. Walter Brugger und Manfred Weitlauff. Weißenhorn, S. 451-478.

Richardsen, Ingvild (2017): Die Fraueninsel. Auf den Spuren der vergessenen Künstlerinnen von Frauenchiemsee (Reihe Vergessenes Bayern, 1). München.

Schütz, M. Magdalena OSB (1982): Geschichte der Abtei Frauenwörth.782-1982. Hg. v. der Benediktinnerinnen-Abtei Frauenwörth/Chiemsee. St. Ottilien.

Quelle:

Eugenia Stahl OSB: Festspiel zur Hundertjahrfeier am 21. März 1938. Abtei Frauenchiemsee der Abtei Frauenwörth.


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