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Emil Ganghofer (Archiv Monacensia)

Ganghoferstraße 11/13: Ehem. Zierschhaus am Schorn (abgerissen)

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Zierschhaus am Egerer Schorn. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)

Um die Jahrhundertwende von Lorenz Hofmann im damaligen oberbayerischen Landhausstil erbaut, wurde dieses Landhaus am Egerer Schorn 1902 von Walter Zirsch und seiner Ehefrau, der Industriellentochter Aenne (geb. Schmid, 1878-1939) erworben. Das Zirschhaus am Schorn öffnete sich einem weiten Freundeskreis. Ludwig Thoma, Ludwig Ganghofer, Georg Hirth, Leo Slezak, Max Pallenberg, Fritzi Massary, Albert Langen, Fritz Maassen, Roda Roda und Simplizissmusmaler Weisgerber sind nur einige von vielen, die zu diesem Kreis gehörten. So war dieses „Haus am Schorn“, das Walter Zirsch „Malepartus“ nannte, ein literarischer Mittelpunkt in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. In den 30er Jahren wurde es an den NS-Minister Franz Seldte verkauft und später an dessen Sohn vererbt. 1986 erhielt das Anwesen einen neuen Besitzer.

(Halmbacher, Bd. 3, S. 240)

Über die genaue Lage des Anwesens gibt es unterschiedliche Quellen:

Die mit Reichsminister Franz Seldte (1882-1947) verheiratete Hildegard Seldte (1883-1967) lebte seit 1945 am Tegernsee, zog nach dem Tod ihres Gatten 1948 nach Schaftlach, bis sie ab 1954 wieder in der Ganghoferstraße 11 gemeldet war. Dieses Haus ist lt. Bauamt seit 1986 abgerissen und der Grund unbebaut

Heutiges Grundstück, wo das Zierschhaus früher vermutlich stand. Foto: Leonhard Geller (Gemeindearchiv Rottach-Egern)

Die mit Roland Ziersch, einem der beiden Söhne von Walter Ziersch verheiratete Berliner Universitätsprofessorentochter Barbara Ziersch (geb. Harbisch, 1913-?) lebte von 1935 bis 1939 in Rottach-Egern in der Ganghoferstraße 94 1/5 (jetzt 13). Auch dieses Haus wurde lt. Bauamt 1986 abgerissen, 2015 erfolgte dann ein Neubau.

„Lt. alter Karte von BayernAtlas waren auf dem Grund der jetzigen Nr. 11 zwei Häuser. Ob es sich bei dem zweiten Gebäude damals um 13 handelte, ist nicht bekannt. Es könnte auch ein ‚Zuhäusl‘ gewesen sein. Dann hätten Seldte und Ziersch doch im selben Haus gewohnt ...“ (Leonhard Geller, Gemeindearchiv Rottach-Egern, 2021)

Walter Ziersch (1874-1943), „der Münchner Schriftsteller aus dem Rheinland, von Thoma scherzhaft ‚Köbes‘ genannt“ (Thumser, S. 103), schrieb neben Künstlerbiografien (z.B. über den Schauspieler Gustav Waldau) Erinnerungsbücher über Ludwig Thoma und begleitete diesen in vielen wichtigen Tarock-Sitzungen. Walter Ziersch hatte zwei Söhne, den Schriftsteller und Tukan-Preisträger Roland Ziersch (1904-1969) und den Architekten, Kunstsammler und Mäzen Hans Joachim Ziersch (1913-1995), dessen bis 2005 bestehendes Kuratorium für Landschaftsschutz sich u.a. für den Erhalt der Münchner Villa Stuck, des Hildebrandhauses sowie des Schlosses Tegernsee und des dort befindlichen Gymnasiums einsetzte.

Walter Ziersch mit Gattin. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)

Literarisches Zeugnis: Walter Ziersch: Ludwig Thoma spielt Tarock. Ein Strauß Erinnerungen (1927)

In Gedenken an Thoma, aber auch an Emil und Ludwig Ganghofer hat Walter Ziersch folgenden „Strauß Erinnerungen“ zusammengestellt:

[...] Ludwig Thoma und sein brüderliches Faktotum Peter, der tagsüber stets zu Hause ist, warten schon an dem wuchtigen Ecktisch im Herrgottswinkel auf die Tarocker. Mein Nachbar Emil Ganghofer, der Bruder des Dichters und ich sind die Ersten. Wir haben den nächsten Weg von Egern herauf. Kaum haben wir nach lustiger Begrüßung Platz genommen, mahnt Peter ungeduldig: „Fang’ma an, wenn die andern kemma, muaß i do wieder zuschaug’n.‘ Er teilt, zunächst offen, rundum Karten aus: ‚Ganghofer, du hast d’erste Sau. Du gibst an.“

Die Pfeifen sind in Brand gesetzt, das Spiel beginnt. „Hast auch ordentlich Geld eingesteckt? Heut wirst ausgesackelt, Tünnes“, verkündet mir Ludwig Thoma, indem er mich, den Rheinländer, nach einer der Figuren des Kölner Hänneschen Theaters benamst. Er schiebt mit gekrümmtem Armen die Fäuste gegeneinander: „Hin mußt werden.“ Ich habe durchaus keine Angst vor dem Verlieren. Peter und Emil spielen mittelmäßig und sind so gut wie bares Geld. Besonders der letztere. So steht in meinem Andreas Vöst als Widmung: „s/l Walter Ziersch zur Erinnerung an einen fürchterlichen Tarock gegen Emilio. Egern, den 16. Juni 1911, früh 3½ Uhr. Ludwig Thoma.“

Der Tarock geht gemächlich seinen Gang, bis Ganghofer und ich durch grobe Fehler Peters nacheinander einige Spiele gewinnen. [...]

Den letzten Skat mit Thoma und Queri spielte ich in der Bauernstube in Tuften. Damals war Ludwig Ganghofer dabei. Dieser hatte einen Skat konstruiert, von dem er behauptete, er gäbe auch dem Spieler mit schlechten Karten Chancen. Mit „Jungfrau“ und „Jüngling“ und viel Ramschrunden. Das war nichts für den guten Queri, der nicht mauern konnte und immer aufs Ganze ging. Er stand am Schluß über 2000 minus. Wir spielten um zwei Pfennig der Punkt, also ein anständiger Verlust. Queri quälte: „Noch drei Runden doppelt.“ Dann ging es vierfach, dann achtfach. Am Schluß war Queri der höchste Gewinner und Ganghofer der einzige Verlierer. Queri freute sich wie ein Schneekönig und schenkte mir – eine Biermarke. „Die kannst du als Fünfzigpfenn’gstück ausgeben“, sagte er. Ich habe die Biermarke verwahrt, als Erinnerung. Denn ein halbes Jahr später war Queri tot. Ein Jahr später Ludwig Ganghofer und wieder ein Jahr später auch Ludwig Thoma. Sein Bruder Peter folgte ihm bald, Emil Ganghofer war schon vorausgegangen.

(Ziersch, S. 1f., vgl. a. Thumser, S. 111)

 


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Verfasst von: TELITO / Dr. Peter Czoik