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Schloss Tegernsee, ca. 1863-1868. Foto: Johann Friedrich Stiehm

Gymnasium Tegernsee

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Das Kloster Tegernsee im 16. Jhdt. Holzschnitt von Jost Amann. Veröffentlicht in den Landtafeln des Philipp Apian, 1560.

Gelehrte Netzwerke des 15. Jahrhunderts in Österreich und Bayern

Knotenpunkt des spätmittelalterlichen, intellektuellen Netzwerks war die Universität Wien. Von dort aus erfuhr das Benediktinerkloster Melk einen starken intellektuellen Aufschwung.


Österreich Übersichtskarte, geändert (Lencer & NordNordWest, Wikimedia Commons)

Melk wiederum bildete den Ausgangspunkt von geistigen und geistlichen Reformen im Benediktinerorden, von denen in Altbayern vor allem Tegernsee erfasst wurde.

Melker und Tegernseer Mönche reformierten beispielsweise die Klöster Ettal sowie Sankt Ulrich und Afra in der Reichsstadt Augsburg.

Elitäre theologische Debattenkultur

Im thinktank Tegernsee diskutierte man beispielsweise die damals elitäre Theologie des Nikolaus von Kues. Dieser beschäftigte sich in seinen Schriften de docta ignorantia und de visione dei mit Erkenntnistheorie und der Existenz Gottes sowie der Unendlichkeit.

Diese Diskussion erfolgte mündlich im Kloster selbst oder brieflich mit der theologischen Elite des 15. Jahrhunderts. Das gelehrte Netzwerk umfasste in Tegernsee beispielsweise Bernhard von Waging, Kaspar Aindorffer und Konrad von Geisenfeld.

Links: Nikolaus von Kues (Stifterbild, ca. 1480). Rechts: Ein Gelehrter aus dem 15. Jhdt.

ars memorativa Gedächtniskunst

Im Mittelalter wurde vieles nicht schriftlich festgehalten, denn Pergament oder Papier waren teuer. Stattdessen verfügten die Gelehrten über ein leistungsstarkes Gedächtnis. Dieses wurde in Schulen und Universitäten trainiert.

Die Gedächtniskunst lehrt (als universitäre ars memorativa), wie große Mengen von Informationen erinnert werden können. Beispielsweise dient das Bild des Hauses zum Ablegen der Gedächtnisinhalte in verschiedenen Zimmern. Dadurch konnte man sich etwa die gesamte lateinische Benediktsregel ins Gedächtnis rufen. Im Kloster Tegernsee blühte solchermaßen die wissenschaftliche Gedächtniskunst.

Der Tegernseer Mönch Petrus von Rosenheim verfasste mehrere lateinische Werke zur Gedächtniskunst:

• roseum memoriale divinorum eloquiorum
• metra de vita Sancti Benedicti
• memoriale capitulorum regulae Sancti Benedicti

Hymnen für die Klosterschule

Im Lateinunterricht übersetzten die Schüler auch jene Hymnen, die sie ansonsten im Chor während des Gottesdienstes sangen. Die Tegernseer Gymnasiasten waren zugleich auch Chorknaben. Der Tegernseer Osterhymnus des Venantius Fortunatus beispielsweise hat eine syntaktische Wortfolgebezifferung sowie Worterklärungen und am Ende eine Reimpaarübersetzung. Durch die Ziffern wird der Satzbau erklärt. Synonyme und deutsche Übersetzungen helfen beim Verständnis schwieriger Wörter.

Salue 4 festa 1 dies 1 toto 3 venerabillis 2 euo 3
Qua 1 deus 2 infernum 4 uicit 3 et 5 astra 7 tenet 6

4 Salue: id est sis salutata
1 festa: id est festiua uel dignifica dies supple o
3 toto: eternaliter uel omni tempore
2 venerabilis: laudabilis
3 euo

1 Qua: in qua supple die
2 deus: christus
4 infernum: baratrum uel tartarum
3 uicit: superauit uel debellauit
5 et
7 astra: celum
6 tenet: habet uel possidet

Gar loblich ist die oster zeit,
Die aller welt frewden geit,
So got zerstört haut hellisch macht
Vnd uerdampte welt zuo gnaden braucht.

Diese Hymnenübersetzung für das Klostergymnasium findet sich in folgender Tegernseer Handschrift: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 19695.

 


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Verfasst von: TELITO / Prof. Dr. Klaus Wolf

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