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Ehem. Kloster Tegernsee – Der fromme Abt von Tegernsee

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Foto: Peter Czoik (TELITO)

Will man nicht denselben Weg zurückgehen, kann man über Lieberhofweg und Max-Josef-Straße die Bahnhofstraße erreichen. In diese biegt man links ab, überquert den Alpbach und läuft über die Rosenstraße und Uferanlage Länd am See entlang zum Vorplatz des ehemaligen Klosters Tegernsee.

Ort:

Das vielleicht bedeutendste Kloster im alten Bayern wurde im 8. Jahrhundert von den beiden adligen Brüdern Adalbert und Otkar am Ostufer des Tegernsees gegründet. Um die Entstehung und Zerstörung des Klosters ranken sich eigene Sagen. So soll der Sohn des Frankenkönigs Pippin den Sohn des Otkar beim Schachspiel aus Jähzorn erschlagen haben, worauf die beiden Brüder das Kloster gründeten und damit einen ungewollten Krieg vermieden. Auch pilgerten sie nach Rom und brachten die Reliquien des Märtyrers Quirinus (gest. 269) nach Tegernsee. Neben der kulturellen Blüte des Klosters im Hohen Mittelalter als Schreib- und Malschule, als Entstehungs- und Überlieferungsort für literaturgeschichtlich bedeutsame Werke wie den ersten Ritterroman Ruodlieb, das Spiel vom Antichrist (Ludus de Antichristo) und den Tegernseer Liebesgruß („Dû bist mîn, ich bin dîn“) war auch seine politische und wirtschaftliche Stellung entscheidend: Das Reichskloster erhielt kaiserliche Privilegien. Erst die Misswirtschaft, Lockerung der Ordensdisziplin und Kriege führten im 14. Jahrhundert zu einem Niedergang. Die Tegernseer Reform im 15. Jahrhundert, die in Kloster Melk ihren Ausgang nahm und Tegernsee erstmals auch für Bürgerliche öffnete, brachte dann einen Aufschwung, der bis zur Säkularisation 1803 anhielt. Seit dieser Zeit befindet sich das Kloster im Besitz des Hauses Wittelsbach. Die wichtigsten Kunstwerke und einige tausend Bände kamen in staatliche Sammlungen. Das „Herzoglich Bayerische Brauhaus Tegernsee“ und zwei Gaststätten sorgen für das leibliche Wohl der Besucher. In den 1970er-Jahren erwarb der Freistaat Bayern zwei Trakte des Schlosses für das dort ansässige Gymnasium.

Von einem der gottesfürchtigsten oberen Mönche, die im Kloster gelebt haben und von denen man sagt, sie können „himmlische Gesichte“ schauen, erzählt die Geschichte des bayerischen Schriftstellers Heinrich Noë (1835-1896).

Sageninhalt:

Eines Tages – es war der Vorabend des Festes Mariä Verkündigung – erschien der fromme Abt weder beim Mittag- noch beim Abendessen im Refectorium. Endlich wurden die Mönche unruhig; sie fürchteten, es sei ihm etwas Uebles begegnet. Doch wagte es keiner, an seiner Zelle anzuklopfen – denn es war doch möglich, daß sie ihn bei irgend einer frommen Verrichtung störten. Zuletzt, als es schon spät in der Nacht war, vermochte es der älteste Pater, an seiner Thüre zu pochen. Es erfolgte keine Antwort. Der Pater trat ein und was sah er? Auf dem Boden kniete der Abt, die Blicke nach dem Bilde der allerseligsten Jungfrau gerichtet. Sein Arm war ausgestreckt, die Hand zusammengeballt, als ob sie etwas hielte. Aus ihrer Höhlung drang ein heller Schein. Es war das Licht vom Reste einer Wachskerze, welche soweit herabgebrannt war, ohne daß es ihr Träger an irgend welchem Schmerz verspürte. Der Pater rüttelte ihn und rief. Erst nach langer Zeit kam er zu sich und fragte verwundert, was man von ihm wolle. Es währte abermals geraume Weile, bis man ihm klar machte, wie lange Zeit er da in Verzückung gelegen haben müsse, da die Wachskerze so weit in seine Hand hinein gebrannt war. Der fromme Abt vermeinte, er habe sich vor wenigen Augenblicken nieder gekniet. Doch wußte er von unsäglichen Herrlichkeiten des Himmels zu erzählen, welche seinem begnadigten Blick begegnet seien. Darum wurde er vom Volke wie ein Heiliger verehrt. Als man bei Anlegung des herrschaftlichen Eiskellers die Grüfte des Klosters zerwühlte und die morschen Gebeine in großen Fuhren fortschaffte, fand man auch die wohlerhaltende Leiche dieses Frommen. Sie war an dem goldenen Kreuze kenntlich, welches den Namen des berühmten Abtes trug. Dieses Kreuz wanderte auf irgend einen Trödelmarkt.

(Heinrich Noë: Baierisches Seebuch. Schöpping, München 1865, S. 280f.) 

 


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Verfasst von: TELITO / Dr. Peter Czoik

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