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Mina

... erlebt die knisternde Liebe mit Jan.

„Wasser läuft keins mehr. Der Haupthahn ist zu. Die Sicherungen für die Waschstraße und die Toilette hab ich rausgedreht. Aber irgendwo fließt Kriechstrom. Da ist eine Leitung schlecht isoliert und feucht.“

Der Klempner steckte sich eine Zigarette an und wandte sich wieder an Heinz Herrmann.

„Am Montag mach ich den Rohrbruch und bring den Elektriker mit. Wär am besten, sie schalten den Strom komplett ab und machen die Tankstelle übers Wochenende dicht.“

Heinz Herrmann, seit dreißig Jahren Tankstellenpächter, erschrak.

„Dann bin ich pleite.“

Der Handwerker überlegte.

„Lassen Sie die Waschanlage zu und die Toilette. Bei der Spannung kann das tödlich sein. Keine Ahnung, wo der Strom rauskommt.“

Heinz ordnete in Gedanken seine Dreisträhnenglatze. Nickte.

„Ich sag’s der Nachtschicht.“

*

Mina freute sich auf Jan. Auf seinen starken Körper. Der Gedanke wärmte sie, gab ihr einen Rest Willen zurück. Sie lehnte sich zu Sophie.

„Ich will fahren!“

„Ach, Mina, Spielverderberin!“

Sophie war ihre beste Freundin, noch aus dem Sandkasten. Mina war ihr dankbar. Ihr Mädelsabend war im Rahmen geblieben. Cocktails im Café Westend. Nur Mina, Sophie, Caro und Anne. Keine Spielchen, keine Hemden mit albernem Aufdruck, kein Spießrutenlaufen durch die Fußgängerzone.

Nächste Woche der große Tag: die Hochzeit, lang geplant, perfekt organisiert. Heute wollte sie sich entspannen. Erst mit den Freundinnen, Alkohol und gleich mit Jan.

Er hatte sicher noch was vor. Eine seiner verrückten Ideen. Verrucht. Prickelnd. Dafür liebte sie ihn. Jan, der dunkle Prinz, den sie immer einfangen wollte. Erfolgreich, ehrlich und verrückt nach ihr. Sie würde ihn treffen. Unterwegs.

*

Jan freute sich auf Mina. Sie war mit ihren Mädels unterwegs, würde nicht so spät fahren wollen. An der Aral in der Plinganser würden sie Kippen und Red Bull kaufen. Wie immer. Mina würde auf die Toilette müssen mit ihrer Kleinmädchenblase. Er wollte sie überraschen. Mit ihr vögeln. Wenn sie wollte. Sie wollte fast immer.

Er hatte Sophie erzählt, was er plante. Sie war begeistert. Versprach, dicht zu halten. Jan wusste, sie würde es erzählen. Spätestens nach dem zweiten Caipi.

Er war früh dran. Die Straßenlampen kämpften sich durchs Dämmerlicht. Er parkte das Auto hinter der Tankstelle, außer Sichtweite, schlenderte über den Hof, vorbei an der Waschanlage, den Zapfsäulen. Keine Kunden, nur Maik hinter der Theke. Sein Kumpel hatte extra für ihn die Nachtschicht getauscht.

„Servus, Maik, was läuft?“

„Hey, Jan. Geiler Plan. Is’ leider keine Kamera auf dem Klo.“

„Alter Spanner. Gib mir den Schlüssel. Die Mädels kommen bald. Ich will noch was vorbereiten.“

Maik grinste und griff unter die Kasse.

„Ich soll niemanden aufs Klo lassen. Hat der Heinz gesagt. Keine Ahnung warum. Sagt der ja nie, kennst ihn. Für dich gilt’s natürlich nicht.“

Er warf Jan den Schlüssel zu.

„Hammerrausch, auf deiner Abschiedsparty. Was hab ich gekotzt.“

Jans Junggesellenabschied war wild gewesen. Kein rosa Hasenkostüm und keine rasierten Männerwaden. Nur die Jungs und Alkohol. Reichlich.

„Ey, ich hab voll Filmriss, nach dem Feierwerk weiß ich nichts mehr.“

„Besser, Mann. Du hast mit so ’nem blonden Bunny rumgemacht. Echt nicht korrekt. Du willst heiraten.“

Filmriss war immer gut. Als Ausrede. Jan wusste, sie hatten geknutscht.

Später im Westpark zickte sie rum: sie kenne ihn noch nicht, keine Pille, kein Kondom dabei. Schließlich blies sie ihm einen. Er notierte ihre Handynummer. Für alle Fälle. Kein Grund für ein schlechtes Gewissen.

Er klimperte mit dem Schlüssel.

„Bis später, Mann.“

Sie verabschiedeten sich Faust an Faust. Jan umrundete die Waschanlage. Der Bewegungsmelder ließ Licht aufflackern. Er blinzelte, schloss die Toilette auf. Zögerte. Er wollte kein Licht machen, vielleicht hatte Sophie dicht gehalten und Mina ahnte nichts. Er kramte in seinen Taschen. Kippen, Duftkerze, Gleitcreme. Alles da. Er zog die Tür zu.

Mina mochte seine Ideen. Jan wartete.

*

Sophie trank am wenigsten, musste fahren. Wie immer. Geradeaus nach Solln. Erst die Ganghofer und die Pfeuffer vor bis zum Herzog-Ernst-Platz.

Kaum im Auto, war Caro neben ihr eingeschlafen, sabberte sich ins Dekolleté. Kein Wunder, dass die keinen abkriegte. Die Antonius-Tenne heute rechts liegen lassen. Kein Abtanzen in den Morgen. Jan wartete.

Die Plinganser weiter. Am Harras gerade drüber. Sophie freute sich über den Umbau. Kein wildes Abbiegen mehr. Erst rechts, links einordnen, links ab, einordnen rechts und rechts abbiegen. Einfach gerade aus. Viel leichter, so müde und so angeschickert.

„Denk an die Tanke, gleich hinterm Harras, hatte Jan gesagt.

Tuscheln von hinten. Kreischen. Sophie grinste in den Rückspiegel.

„He, ihr Hühner, wir machen gleich Boxenstopp.“

Mina kringelte sich. Anne hielt ihr den Mund zu. Ohne Erfolg.

„Anne mag nur Blümchensex! Mit Licht aus, Kuschelrock und Socken an!“

„Blöde Kuh!“

Anne schmollte. Sophie fixierte sie im Spiegel.

„Bleib locker Anne, Mina weiß doch auch erst seit Jan, dass doggy style kein Hundefriseur ist!“

„Danke, beste Freundin!“

Eingeschnappte Ruhe auf dem Rücksitz.

„Mädels, gleich kommt die Tanke. Wer zuerst draußen ist, darf als Erste aufs Klo!“

„Iiiich! Ich zuerst! Dringend.“

Sophie verriss beinah das Lenkrad.

„Mann, Mina!“

Keine hundert Meter weiter leuchtete es blau. Super E10, 1 Euro 52.

„Scheißteuer. Gut, dass wir nur pinkeln.“

Caro witterte die Pause, wurde wach und wischte sich die Nässe vom Busen.

„Mist. Ich brauch Red Bull. Mindestens einen.“

Die Mädchen stiegen aus, Mina zupfte ihren Mini zurecht, stöckelte um die Waschanlage. Die anderen stürmten den Laden.

*

Jan hörte Kichern aus dem Verkaufsraum. Caros Quäken.

„He Maik, ich will einen HotDog!“

Er machte die Kippe aus. Warf sie ins Klo, spuckte den Kaugummi hinterher. Drückte die Spülung. Der Kasten lief leer, dann nichts. Kein Wasser. Zu Hause hatte er sich rasiert. Brust, Bauch, alles. Mina stand drauf. Jetzt juckte es. Er nahm die Gleitcreme, sie half. Die Finger klebten. Er musste die Hände waschen. Jan griff an den Wasserhahn.

*

Maik bedauerte. „Der Grill ist schon aus. Sorry, Caro.“

Die Neonröhren gleißten auf, kreischten an der Grenze des Hörbaren, bohrten Schmerzen in die Netzhaut.

Mit einem Knall wurde es finster. Still. Von irgendwo kam ein Knistern. Es roch verbrannt.


Den ganzen Spaziergang auf der Karte verfolgen ...

Verfasst von: © Matthias Kübler, 2012

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