Baumgasse, Ecke Maiselgasse: Die Märzrevolution von 1848
Am Donauprallhang, im Wiener Bezirk Landstraße, finden sich noch Reste des so genannten Linienwalls, einer ab 1704 um Wien errichteten Befestigungsanlage. Ist man mit der U3 (Station: Schlachthausgasse) hinausgelangt und noch einige Meter gelaufen, sind die Ziegelbauwerke leicht zu finden. Auch hier ist ein neues Wien im Entstehen begriffen. Glänzende neue Wohn- und Bürohäuser im austauschbaren internationalen Stil sind hier errichtet worden. Zu Füßen der Mauer liegen Sportanlagen. An mehreren Stellen kann man die Anlage mit wenig Mühe erklettern. Oben findet sich die Stadtwildnis, eine Art Biotop wie ein verwilderter Garten. Holunderbüsche wechseln sich mit Heckenrosensträuchern ab, wilde Apfelbäume sind zu sehen, zwischen denen Gerste, Mohn und Gras wächst. An mehreren Stellen stehen zwischen Bäumen und Sträuchern selbstgebaute Kästen, offenbar für Kleintiere wie Kaninchen gedacht. Sie scheinen alle leer zu sein. Wären die hochaufragenden Wohngebäude nicht, könnte man meinen, nicht länger in der Stadt zu sein.
Nach der Niederlage Napoleons und der Neuordnung Europas beim Wiener Kongress 1815 errichtete der österreichische Kanzler Metternich ein restriktives und in vielen Zügen reaktionäres Potlatches System im Habsburgerreich. Wolfgang Matz nennt es einen „Polizeistaat“. Bespitzelung, Repression und Zensur waren allgegenwärtig. Das Metternichsche System führte Matz zufolge zu einer „Erstarrung und Versteinerung“, von der sich das alte Österreich nie wieder erholen sollte. 1847 kam es zu von Hunger getriebenen Aufständen. Im Winter 1847/48 folgte eine tiefe Finanzkrise. Ab dem 13. März kam es auch in Wien zur Revolte. Gekämpft wurde unter anderem im Prater und auf den Wallanlagen der Stadt.
Gewissens- und Pressefreit, die Unabhängigkeit der Justiz und eine konstitutionell gebundene Monarchie gehörten zu den Forderungen, die sich immer wieder auf anonym verfassten Flugschriften fanden. Metternich floh infolge des Aufstands nach England, der österreichische Kaiser gab, zunächst, den demokratischen Forderungen statt. Am 24. Oktober 1848 begann der Angriff der alten Macht gegen das neue System. Am verbarrikadierten Linienwall kam es zum Kampf der Revolutionäre gegen die kaiserlichen Truppen. Diese überwanden binnen vier Tagen die Barrikaden und drangen durch die Linientore in die Vorstädte ein. Die Revolution war gescheitert.
Überreste des Lininewalls am Donauprallhang
Als liberal denkender Mann begeisterte sich Adalbert Stifter, der dem Sohn des Kanzlers Metternich eine Zeitlang Privatstunden gab, anfänglich für die Revolution. Die Lyrikerin und Journalistin Betty Paoli erinnerte den Freund bereits im Herbst 48 daran, „wie ich am Morgen des 15. März zu Ihnen kam und wie wir uns der neugewonnenen Freiheit freuten“ (zitiert nach Matz).
Im April 1848 ließ sich Adalbert Stifter sogar als Wahlmann für die Innere Stadt aufstellen. Auch publizistisch engagierte er sich für das neue Staatswesen. Wie heute noch häufig, gab es unter den Revolutionären keine Einigkeit über die Methoden und die erforderliche Radikalität. Bald wurde es dem Dichter unangenehm. An seinen Verleger Heckenast schrieb er am 25. Mai 1848:
„Gebe Gott, daß man anfange einzusehn, daß nur Rath und Mäßigung zum Baue führen kann; denn bauen, nicht stets einreißen, thut noth. Jeder Mißstand, jedes Übel (von jeder Seite) wird nur durch das gesänftigte, edle, ruhige aber allseitig beleuchtende Wort gut - durch dieses wird es aber ganz gewiß gut — und das Wort, diesen sanften Öhlzweig, so heiß ersehnt, endlich errungen, gebrauchen wir jezt so selten recht, oft wird es eine Zündfakel, oft wird es kurz bei Seite geschoben und die Gewalt gebraucht, die nur noch mehr verwirrt, die Gemüther von jeder Seite mißtrauischer macht, Verzagtheit, Ohnmacht, Zügellosigkeit, Despotie, und Reaction hervor ruft, und in vielen Fällen nicht einmal die gewünschte Frucht, sondern oft die Mißfrucht erzeugt ..“ (zitiert nach: Schrecklich schöne Welt, Hg. Stifterhaus Linz, 2005).
„Stadtwildni“s mit Neubauten im Hintergrund
Als sich die Gelegenheit bot, endlich die ersehnte feste Stelle zu erhalten, besann Stifter sich nicht lange und zog mit Frau und Pflegetochter die Donau wieder hinauf. In revolutionsfernen Linz trat er die Stelle eines Landesschulinspektors an. Für die nächsten zwanzig Jahre, bis zum Ende seines Lebens, blieb er in der oberösterreichischen Provinz. Dennoch lassen sich seine gut zwanzig Wiener Jahre sicher als die glücklicheren bezeichnen. Hier war er zum erfolgreichen Schriftsteller geworden und hatte die Frau gefunden, mit der er bei aller Verschiedenheit und allen Spannungen bis zu seinem Tod zusammenbleiben sollte. Am 26.000 Einwohner zählenden Linz bemängelte er – d. h. er pries die Stadt vordergründig – sehr bald eine gewisse „Totenstille“.
Nach dem Scheitern der Revolution sah Stifter das „Ideal der Freiheit“ als „auf lange Jahre vernichtet“ an (Brief an Heckenast vom 6.3.1949, zitiert nach Schrecklich schöne Welt). Sein späterer Gastgeber im bayerischen Lackenhäuser, Ludwig Rosenberger, hielt in seiner Anekdotensammlung nach Gesprächen mit dem Dichter folgende Aussage Stifters zur Märzrevolution fest: „Der Bau ist niedergerissen, wer wird nun den Schutt forträumen, und wo sind die Männer, welche den Neuaufbau aufzuführen Kraft und Beruf haben?“
Spaziergang starten: Station 8 von 8 Stationen
Am Donauprallhang, im Wiener Bezirk Landstraße, finden sich noch Reste des so genannten Linienwalls, einer ab 1704 um Wien errichteten Befestigungsanlage. Ist man mit der U3 (Station: Schlachthausgasse) hinausgelangt und noch einige Meter gelaufen, sind die Ziegelbauwerke leicht zu finden. Auch hier ist ein neues Wien im Entstehen begriffen. Glänzende neue Wohn- und Bürohäuser im austauschbaren internationalen Stil sind hier errichtet worden. Zu Füßen der Mauer liegen Sportanlagen. An mehreren Stellen kann man die Anlage mit wenig Mühe erklettern. Oben findet sich die Stadtwildnis, eine Art Biotop wie ein verwilderter Garten. Holunderbüsche wechseln sich mit Heckenrosensträuchern ab, wilde Apfelbäume sind zu sehen, zwischen denen Gerste, Mohn und Gras wächst. An mehreren Stellen stehen zwischen Bäumen und Sträuchern selbstgebaute Kästen, offenbar für Kleintiere wie Kaninchen gedacht. Sie scheinen alle leer zu sein. Wären die hochaufragenden Wohngebäude nicht, könnte man meinen, nicht länger in der Stadt zu sein.
Nach der Niederlage Napoleons und der Neuordnung Europas beim Wiener Kongress 1815 errichtete der österreichische Kanzler Metternich ein restriktives und in vielen Zügen reaktionäres Potlatches System im Habsburgerreich. Wolfgang Matz nennt es einen „Polizeistaat“. Bespitzelung, Repression und Zensur waren allgegenwärtig. Das Metternichsche System führte Matz zufolge zu einer „Erstarrung und Versteinerung“, von der sich das alte Österreich nie wieder erholen sollte. 1847 kam es zu von Hunger getriebenen Aufständen. Im Winter 1847/48 folgte eine tiefe Finanzkrise. Ab dem 13. März kam es auch in Wien zur Revolte. Gekämpft wurde unter anderem im Prater und auf den Wallanlagen der Stadt.
Gewissens- und Pressefreit, die Unabhängigkeit der Justiz und eine konstitutionell gebundene Monarchie gehörten zu den Forderungen, die sich immer wieder auf anonym verfassten Flugschriften fanden. Metternich floh infolge des Aufstands nach England, der österreichische Kaiser gab, zunächst, den demokratischen Forderungen statt. Am 24. Oktober 1848 begann der Angriff der alten Macht gegen das neue System. Am verbarrikadierten Linienwall kam es zum Kampf der Revolutionäre gegen die kaiserlichen Truppen. Diese überwanden binnen vier Tagen die Barrikaden und drangen durch die Linientore in die Vorstädte ein. Die Revolution war gescheitert.
Überreste des Lininewalls am Donauprallhang
Als liberal denkender Mann begeisterte sich Adalbert Stifter, der dem Sohn des Kanzlers Metternich eine Zeitlang Privatstunden gab, anfänglich für die Revolution. Die Lyrikerin und Journalistin Betty Paoli erinnerte den Freund bereits im Herbst 48 daran, „wie ich am Morgen des 15. März zu Ihnen kam und wie wir uns der neugewonnenen Freiheit freuten“ (zitiert nach Matz).
Im April 1848 ließ sich Adalbert Stifter sogar als Wahlmann für die Innere Stadt aufstellen. Auch publizistisch engagierte er sich für das neue Staatswesen. Wie heute noch häufig, gab es unter den Revolutionären keine Einigkeit über die Methoden und die erforderliche Radikalität. Bald wurde es dem Dichter unangenehm. An seinen Verleger Heckenast schrieb er am 25. Mai 1848:
„Gebe Gott, daß man anfange einzusehn, daß nur Rath und Mäßigung zum Baue führen kann; denn bauen, nicht stets einreißen, thut noth. Jeder Mißstand, jedes Übel (von jeder Seite) wird nur durch das gesänftigte, edle, ruhige aber allseitig beleuchtende Wort gut - durch dieses wird es aber ganz gewiß gut — und das Wort, diesen sanften Öhlzweig, so heiß ersehnt, endlich errungen, gebrauchen wir jezt so selten recht, oft wird es eine Zündfakel, oft wird es kurz bei Seite geschoben und die Gewalt gebraucht, die nur noch mehr verwirrt, die Gemüther von jeder Seite mißtrauischer macht, Verzagtheit, Ohnmacht, Zügellosigkeit, Despotie, und Reaction hervor ruft, und in vielen Fällen nicht einmal die gewünschte Frucht, sondern oft die Mißfrucht erzeugt ..“ (zitiert nach: Schrecklich schöne Welt, Hg. Stifterhaus Linz, 2005).
„Stadtwildni“s mit Neubauten im Hintergrund
Als sich die Gelegenheit bot, endlich die ersehnte feste Stelle zu erhalten, besann Stifter sich nicht lange und zog mit Frau und Pflegetochter die Donau wieder hinauf. In revolutionsfernen Linz trat er die Stelle eines Landesschulinspektors an. Für die nächsten zwanzig Jahre, bis zum Ende seines Lebens, blieb er in der oberösterreichischen Provinz. Dennoch lassen sich seine gut zwanzig Wiener Jahre sicher als die glücklicheren bezeichnen. Hier war er zum erfolgreichen Schriftsteller geworden und hatte die Frau gefunden, mit der er bei aller Verschiedenheit und allen Spannungen bis zu seinem Tod zusammenbleiben sollte. Am 26.000 Einwohner zählenden Linz bemängelte er – d. h. er pries die Stadt vordergründig – sehr bald eine gewisse „Totenstille“.
Nach dem Scheitern der Revolution sah Stifter das „Ideal der Freiheit“ als „auf lange Jahre vernichtet“ an (Brief an Heckenast vom 6.3.1949, zitiert nach Schrecklich schöne Welt). Sein späterer Gastgeber im bayerischen Lackenhäuser, Ludwig Rosenberger, hielt in seiner Anekdotensammlung nach Gesprächen mit dem Dichter folgende Aussage Stifters zur Märzrevolution fest: „Der Bau ist niedergerissen, wer wird nun den Schutt forträumen, und wo sind die Männer, welche den Neuaufbau aufzuführen Kraft und Beruf haben?“
Spaziergang starten: Station 8 von 8 Stationen


