Beatrixgasse 4b: Die Ehe mit Amalia Mohaupt
„Je weiter zur Vermählung hin ich es mit Amalien kommen ließ, desto unruhiger und unglücklicher ward ich. Dein Bild stand so rein und mild im Hintergrund vergangner Zeiten, so schön war die Erinnerung und so schmerzlich, daß ich, als ich Amalien das Wort künftiger Ehe gab, nach Hause ging, und auf dem Kissen meines Bettes unendlich weinte – um dich.“ (zitiert nach Matz)
Am 20. August 1835 schrieb der 27-jährige Stifter einen langen letzten Brief an die unglückliche Liebe seines Lebens. Fanny Greipel, eine Kaufmannstochter aus dem böhmischen Friedberg, Frymburk, hatte die Ehe einem anderen versprochen, und da griff auch Stifter nach der, derer er habhaft werden konnte: der gesellschaftlich prekären Näherin Amalia Mohaupt. Offenbar tat er dies contre coeur – jedenfalls behauptete er dies gegenüber Fanny. Wie viel daran stimmt und wie viel der Romantik (oder auch der Melodramatik) der Stifterschen Seele zuzurechnen ist, muss offenbleiben.
Sicher ist, dass Amalia es verstanden hat, den jungen Mann zu bezaubern, nicht zuletzt mit ihrem Körper. Rosenberger, sein Gastgeber in Lackenhäuser hält in einer seiner „Anekdoten“ über den Dichter fest, Amalias „Reize“ hätten schon bei der ersten Begegnung 1832 auf einem Ball Stifter „in hohem Maße“ erregt. Und noch im November 1865, als er schon sterbenskrank war, schrieb er seiner Frau: „Im Augenblicke kann ich nur nicht Mann sein. Du wirst es mir doch gewiß verzeihen?“ Sex und Essen spielten in dieser Ehe vermutlich eine tragende Rolle. In seiner Zufriedenheit erscheint Stifter durchaus als ein Banause und Spießbürger. Wolfgang Matz konstatiert zusätzlich eine erstaunliche Kälte des Paares, etwa leidenden Verwandten der Familie Mohaupt gegenüber. Daneben und vielleicht deshalb mag das bohrende Gefühl, mit der Falschen verheiratet zu sein, wie das Unglück überhaupt als Motor seinen Platz in der psychischen Dynamik Stifters behauptet haben.
Büchermöbel in der Nähe des Stifterschen Wohnhauses, Beatrixgasse
Stifter lebte bereits vor und zunächst auch nach der Hochzeit mit Amalia und deren kranker Schwester Josepha zusammen. Eine Gelenkentzündung hindert ihn daran, sich um eine feste Stelle an der Forstlehranstalt Mariabrunn zu bewerben. Im November 1837 legalisiert das Paar sein Verhältnis durch Heirat. Josepha stirbt im März 1838 und wir in einem Armengrab beigesetzt. Offenbar verbergen ihre Verwandten sich vor den städtischen Behörden, um kein Geld für die Beisetzung zahlen zu müssen.
Josephas Tod mit 21 Jahren ging eine Schwangerschaft voraus. Im November 1836 kommt ein Mädchen, Emilie, zur Welt; es muss diese schon vier Wochen später wieder verlassen. Die uneheliche Mutterschaft scheint der Grund gewesen zu sein, warum der finanzschwache Dichter eine Zeitlang zwei Wohnungen angemietet hatte – eine für sich und eine für Amalia und Josepha. Stifter-Biograf Matz vermutet, dass Emilie in Wahrheit die uneheliche Tochter Stifters mit Amalia gewesen sein. Diesen Umstand, sollte das wahr sein, hätte er verheimlichen müssen, da eine Arbeit als Privatlehrer in gutbürgerlichen und adligen Häusern sonst unmöglich geworden wäre. Einen Nachweis für seine Spekulation kann der Biograf nicht erbringen. Er argumentiert mit der Psychografie dieser Ehe: "Sollten … diese Vermutungen zutreffen, dann läge darin … ein wirklicher, lebensgeschichtlich nachvollziehbarer Grund für Stifters Haltung zu seiner Ehe: das Gefühl der Schuld gegenüber Amalia.“
Den „Komplex von erlebter Schuld und beschworener Unschuld“ sieht Matz als ein Kontinuum im Leben des Dichters an. Dass ein ihm nahe stehendes Kind stirbt, sei es auch nicht die leibliche Tochter, erlebte Adalbert Stifter 1859, als die in seinem Haus ab 1847 an Kindes statt lebende Nicht seiner Frau, Juliane, in der Donau starb – vermutlich ein Suizid. Liest man seine fiktionale Werke, entsteht beinah der Eindruck eines „Todes-Komplexes“. Totes taucht als ein Enigma immer wieder in seinen Beschreibungen und Sprachbildern auf – eine gewaltige Nekrose mitten im Sitz des Lebens.
Spaziergang starten: Station 5 von 8 Stationen
„Je weiter zur Vermählung hin ich es mit Amalien kommen ließ, desto unruhiger und unglücklicher ward ich. Dein Bild stand so rein und mild im Hintergrund vergangner Zeiten, so schön war die Erinnerung und so schmerzlich, daß ich, als ich Amalien das Wort künftiger Ehe gab, nach Hause ging, und auf dem Kissen meines Bettes unendlich weinte – um dich.“ (zitiert nach Matz)
Am 20. August 1835 schrieb der 27-jährige Stifter einen langen letzten Brief an die unglückliche Liebe seines Lebens. Fanny Greipel, eine Kaufmannstochter aus dem böhmischen Friedberg, Frymburk, hatte die Ehe einem anderen versprochen, und da griff auch Stifter nach der, derer er habhaft werden konnte: der gesellschaftlich prekären Näherin Amalia Mohaupt. Offenbar tat er dies contre coeur – jedenfalls behauptete er dies gegenüber Fanny. Wie viel daran stimmt und wie viel der Romantik (oder auch der Melodramatik) der Stifterschen Seele zuzurechnen ist, muss offenbleiben.
Sicher ist, dass Amalia es verstanden hat, den jungen Mann zu bezaubern, nicht zuletzt mit ihrem Körper. Rosenberger, sein Gastgeber in Lackenhäuser hält in einer seiner „Anekdoten“ über den Dichter fest, Amalias „Reize“ hätten schon bei der ersten Begegnung 1832 auf einem Ball Stifter „in hohem Maße“ erregt. Und noch im November 1865, als er schon sterbenskrank war, schrieb er seiner Frau: „Im Augenblicke kann ich nur nicht Mann sein. Du wirst es mir doch gewiß verzeihen?“ Sex und Essen spielten in dieser Ehe vermutlich eine tragende Rolle. In seiner Zufriedenheit erscheint Stifter durchaus als ein Banause und Spießbürger. Wolfgang Matz konstatiert zusätzlich eine erstaunliche Kälte des Paares, etwa leidenden Verwandten der Familie Mohaupt gegenüber. Daneben und vielleicht deshalb mag das bohrende Gefühl, mit der Falschen verheiratet zu sein, wie das Unglück überhaupt als Motor seinen Platz in der psychischen Dynamik Stifters behauptet haben.
Büchermöbel in der Nähe des Stifterschen Wohnhauses, Beatrixgasse
Stifter lebte bereits vor und zunächst auch nach der Hochzeit mit Amalia und deren kranker Schwester Josepha zusammen. Eine Gelenkentzündung hindert ihn daran, sich um eine feste Stelle an der Forstlehranstalt Mariabrunn zu bewerben. Im November 1837 legalisiert das Paar sein Verhältnis durch Heirat. Josepha stirbt im März 1838 und wir in einem Armengrab beigesetzt. Offenbar verbergen ihre Verwandten sich vor den städtischen Behörden, um kein Geld für die Beisetzung zahlen zu müssen.
Josephas Tod mit 21 Jahren ging eine Schwangerschaft voraus. Im November 1836 kommt ein Mädchen, Emilie, zur Welt; es muss diese schon vier Wochen später wieder verlassen. Die uneheliche Mutterschaft scheint der Grund gewesen zu sein, warum der finanzschwache Dichter eine Zeitlang zwei Wohnungen angemietet hatte – eine für sich und eine für Amalia und Josepha. Stifter-Biograf Matz vermutet, dass Emilie in Wahrheit die uneheliche Tochter Stifters mit Amalia gewesen sein. Diesen Umstand, sollte das wahr sein, hätte er verheimlichen müssen, da eine Arbeit als Privatlehrer in gutbürgerlichen und adligen Häusern sonst unmöglich geworden wäre. Einen Nachweis für seine Spekulation kann der Biograf nicht erbringen. Er argumentiert mit der Psychografie dieser Ehe: "Sollten … diese Vermutungen zutreffen, dann läge darin … ein wirklicher, lebensgeschichtlich nachvollziehbarer Grund für Stifters Haltung zu seiner Ehe: das Gefühl der Schuld gegenüber Amalia.“
Den „Komplex von erlebter Schuld und beschworener Unschuld“ sieht Matz als ein Kontinuum im Leben des Dichters an. Dass ein ihm nahe stehendes Kind stirbt, sei es auch nicht die leibliche Tochter, erlebte Adalbert Stifter 1859, als die in seinem Haus ab 1847 an Kindes statt lebende Nicht seiner Frau, Juliane, in der Donau starb – vermutlich ein Suizid. Liest man seine fiktionale Werke, entsteht beinah der Eindruck eines „Todes-Komplexes“. Totes taucht als ein Enigma immer wieder in seinen Beschreibungen und Sprachbildern auf – eine gewaltige Nekrose mitten im Sitz des Lebens.
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