Katakomben unter dem Stephansplatz
In die so genannten Katakomben im Bereich des Stephansdoms gelangt man nur mit einer Führung. Eine Treppe im Innern der Kirche führt zunächst durch die Bischofsgruft unter dem Südchor, ein steril wirkendes Gewölbe mit gekachelten Böden. Säuberlich in mit Gittern verschlossenen Regalen verräumt stehen die mächtigen Sarkophage. Bis ins 16. Jahrhundert wurden alle Kirchenfürsten hier begraben. Seither steht die Wahl der letzten Ruhestätte den Geistlichen frei.
Unter dem Mittelchor befindet sich die Herzogsgruft. Direkt unter dem Hochaltar steht der Sarkophag des Gründers der Wiener Universität, Erzherzog Rudolf IV. (1339 –1365). Er hat auch den Grund für die spätere Bedeutung der Stephanskirche bereitet. Zahlreiche Urnen verwahren Herzen und Eingeweide der Habsburger. Die Entnahme war ab Mitte des 17. Jahrhunderts Brauch. Das Fotografieren ist hier unten verboten.
Weiter durch die Domherrengruft unter dem Nordchor gelangt man in die so genannten Katakomben. Nach der Räumung des ursprünglich um den Dom herum gelegenen Friedhofs wurden unter dem Stephansplatz und den angrenzenden Häusern diese errichtet. Zwischen 1732 – 1783 ließen sich insgesamt über 11.000 Menschen hier bestatten. Von den dreißig Räumen für Särge musste im 20. Jahrhundert ein Teil der U-Bahn weichen. Die zahlreichen menschlichen Knochen aus diesem Teil der Grüfte sind nun hier aufgestapelt. Nur der kleinere Teil der Gewölbe ist mit Führungen zugänglich. Ein alter Sargdeckel macht anschaulich, wie es hier früher ausgesehen haben könnte. Nach dreißig Minuten in bis zu acht Metern Tiefe gelangt man durch ein Portal zurück an die Oberfläche – direkt auf den Stephansplatz.
Ausgangsportal, Katakomben unter dem Stephansplatz
Adalbert Stifter ist zu Beginn der 1840er-Jahre mit einer Gruppe von Besuchern in die Grüfte hinabgestiegen. Diese waren gesperrt, der Zugang scheint aber kaum erschwert gewesen zu sein. Anschaulich beschreibt der Dichter seine Eindrücke von der geführten Tour in dem Text „Ein Gang durch die Katakomben“ (1844 in Aus dem alten Wien). Der Duktus schwankt zwischen der Nüchternheit des von einem quasi wissenschaftlichen Interesse getriebenen Beobachters und dem Wunsch, die eigenen schauerlichen Empfindungen wiederzugeben:
„In gewissen Abständen, gleichsam symmetrisch geordnet, stecken zwischen ihnen [den aufgestapelten Knochen, Anm. d. Red.] die Köpfe, aber auch auf der Erde liegen bereits Trümmer herum, und der weiche Tritt läßt merken, daß man auf Moder gehe. Ein Führer bedeutete uns, daß man die vielfach zerstreuten Knochen der Katakomben und die einst auf dem Stephansfriedhofe ausgegrabenen hier der Ordnung wegen aufgeschichtet habe.“
Als Memento mori, das den Tod zum umfassenden Gleichmacher stilisiert, ist die Betrachtung des Dichters eher konventionell gehalten. Faszinierend wirkt dagegen eine gewisse Tendenz zur Umkehrung. So wirken die seinerzeit offenbar in großer Fülle offen herumliegenden Leichname in Stifters Beschreibung geradezu lebendig: „… die Haut war sanft getrocknet und war anzufühlen wie weich gegerbtes Leder, das Zellgewebe des Fleisches … füllte die Haut wie eingestopfte Sägespäne, sodaß selbst die Muskeln elastisch blieben…“
Der sich unbehaglich fühlende Autor hat eine apokalyptische Fantasie. Er betrachtet unseren Heimatplaneten gar aus dem Blickwinkel eines Außerirdischen:
„Und wenn in jener Nacht, wo unsere Erde auf ewig aufhört, ein Siriusbewohner den schönen Sternenhimmel ansieht, so weiß er nicht, daß ein Stern weniger ist, ja, hätte er sie alle einst gezählt und auf Karten getragen, und zählte sie heute wieder, und sieht seine Karten an, so fehlt keiner, und so prachtvoll wie immer glüht der Himmel über seinem Haupte. Und tausend Milchstraßen weiter außer dem Sirius wissen sie auch von seinem Untergange nichts, ja sie wissen nichts von unserem ganzen Sternenhimmel …“
Die gähnenden Abgründe der Stifterschen Prosa scheinen auch in diesem kleinen Bericht auf. Draußen das All, drinnen die Abfolge der unterirdischen Räume – beides scheint endlos: „… er geht in Todes- und Geisterangst gestachelt fort durch Gänge und Gewölbe, die sich ewig ineinander münden.“ Das mutet an wie ein Bild von Escher. Der räumliche Horror wird noch durch einen geistigen flankiert, der sich durch den Glauben kaum abmildern lässt: „Oder gefällt sich jene Macht darin, im öden Kreislaufe immer dasselbe zu erzeugen und zu zerstören? — Es wäre gräßlich absurd! — Mitten im Reiche der üppigsten Zerstörung durchflog mich ein Funke der innigsten Unsterblichkeitsüberzeugung.“
Am Ende ist Stifter wie heutige Besucher froh, wieder auf dem Stephansplatz zu stehen.
Spaziergang starten: Station 3 von 8 Stationen
In die so genannten Katakomben im Bereich des Stephansdoms gelangt man nur mit einer Führung. Eine Treppe im Innern der Kirche führt zunächst durch die Bischofsgruft unter dem Südchor, ein steril wirkendes Gewölbe mit gekachelten Böden. Säuberlich in mit Gittern verschlossenen Regalen verräumt stehen die mächtigen Sarkophage. Bis ins 16. Jahrhundert wurden alle Kirchenfürsten hier begraben. Seither steht die Wahl der letzten Ruhestätte den Geistlichen frei.
Unter dem Mittelchor befindet sich die Herzogsgruft. Direkt unter dem Hochaltar steht der Sarkophag des Gründers der Wiener Universität, Erzherzog Rudolf IV. (1339 –1365). Er hat auch den Grund für die spätere Bedeutung der Stephanskirche bereitet. Zahlreiche Urnen verwahren Herzen und Eingeweide der Habsburger. Die Entnahme war ab Mitte des 17. Jahrhunderts Brauch. Das Fotografieren ist hier unten verboten.
Weiter durch die Domherrengruft unter dem Nordchor gelangt man in die so genannten Katakomben. Nach der Räumung des ursprünglich um den Dom herum gelegenen Friedhofs wurden unter dem Stephansplatz und den angrenzenden Häusern diese errichtet. Zwischen 1732 – 1783 ließen sich insgesamt über 11.000 Menschen hier bestatten. Von den dreißig Räumen für Särge musste im 20. Jahrhundert ein Teil der U-Bahn weichen. Die zahlreichen menschlichen Knochen aus diesem Teil der Grüfte sind nun hier aufgestapelt. Nur der kleinere Teil der Gewölbe ist mit Führungen zugänglich. Ein alter Sargdeckel macht anschaulich, wie es hier früher ausgesehen haben könnte. Nach dreißig Minuten in bis zu acht Metern Tiefe gelangt man durch ein Portal zurück an die Oberfläche – direkt auf den Stephansplatz.
Ausgangsportal, Katakomben unter dem Stephansplatz
Adalbert Stifter ist zu Beginn der 1840er-Jahre mit einer Gruppe von Besuchern in die Grüfte hinabgestiegen. Diese waren gesperrt, der Zugang scheint aber kaum erschwert gewesen zu sein. Anschaulich beschreibt der Dichter seine Eindrücke von der geführten Tour in dem Text „Ein Gang durch die Katakomben“ (1844 in Aus dem alten Wien). Der Duktus schwankt zwischen der Nüchternheit des von einem quasi wissenschaftlichen Interesse getriebenen Beobachters und dem Wunsch, die eigenen schauerlichen Empfindungen wiederzugeben:
„In gewissen Abständen, gleichsam symmetrisch geordnet, stecken zwischen ihnen [den aufgestapelten Knochen, Anm. d. Red.] die Köpfe, aber auch auf der Erde liegen bereits Trümmer herum, und der weiche Tritt läßt merken, daß man auf Moder gehe. Ein Führer bedeutete uns, daß man die vielfach zerstreuten Knochen der Katakomben und die einst auf dem Stephansfriedhofe ausgegrabenen hier der Ordnung wegen aufgeschichtet habe.“
Als Memento mori, das den Tod zum umfassenden Gleichmacher stilisiert, ist die Betrachtung des Dichters eher konventionell gehalten. Faszinierend wirkt dagegen eine gewisse Tendenz zur Umkehrung. So wirken die seinerzeit offenbar in großer Fülle offen herumliegenden Leichname in Stifters Beschreibung geradezu lebendig: „… die Haut war sanft getrocknet und war anzufühlen wie weich gegerbtes Leder, das Zellgewebe des Fleisches … füllte die Haut wie eingestopfte Sägespäne, sodaß selbst die Muskeln elastisch blieben…“
Der sich unbehaglich fühlende Autor hat eine apokalyptische Fantasie. Er betrachtet unseren Heimatplaneten gar aus dem Blickwinkel eines Außerirdischen:
„Und wenn in jener Nacht, wo unsere Erde auf ewig aufhört, ein Siriusbewohner den schönen Sternenhimmel ansieht, so weiß er nicht, daß ein Stern weniger ist, ja, hätte er sie alle einst gezählt und auf Karten getragen, und zählte sie heute wieder, und sieht seine Karten an, so fehlt keiner, und so prachtvoll wie immer glüht der Himmel über seinem Haupte. Und tausend Milchstraßen weiter außer dem Sirius wissen sie auch von seinem Untergange nichts, ja sie wissen nichts von unserem ganzen Sternenhimmel …“
Die gähnenden Abgründe der Stifterschen Prosa scheinen auch in diesem kleinen Bericht auf. Draußen das All, drinnen die Abfolge der unterirdischen Räume – beides scheint endlos: „… er geht in Todes- und Geisterangst gestachelt fort durch Gänge und Gewölbe, die sich ewig ineinander münden.“ Das mutet an wie ein Bild von Escher. Der räumliche Horror wird noch durch einen geistigen flankiert, der sich durch den Glauben kaum abmildern lässt: „Oder gefällt sich jene Macht darin, im öden Kreislaufe immer dasselbe zu erzeugen und zu zerstören? — Es wäre gräßlich absurd! — Mitten im Reiche der üppigsten Zerstörung durchflog mich ein Funke der innigsten Unsterblichkeitsüberzeugung.“
Am Ende ist Stifter wie heutige Besucher froh, wieder auf dem Stephansplatz zu stehen.
Spaziergang starten: Station 3 von 8 Stationen

