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© Stadtarchiv München DE-1992-FS-NL-KV-2183

Die Gemingstraße

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© Stadtarchiv München

Langsam mahlten die Mühlen der Münchner gegenüber ihrem Original. Noch Mitte der Zwanziger hält man seine justiziabel gewordenen Schriften im Kriegsarchiv bewusst zurück. Ein Dokument vom 20./21.7.1926 belegt diese „Anregung“ von oben. Es scheint, als habe man etwas vor mit dem Dichter „außer der Reihe“ In den späten 20ern, zu Beginn der 30er entsinnen die Medien sich (gezielt?!) des „tollen Gustls“. Anfangs durchaus als „zwiespältige Natur zwischen Lyrik und Narrentum“ – aber doch als Arbeit „einer aufrechten Natur, eines echten und frischen Humors“ (Münchner Neueste Nachrichten/Welt am Sonntag, 2. Februar 1930). Offensichtlich hängen sogar noch (Portrait-)Bilder von ihm in zwei Münchner Wirtshäusern.

Am 14. August 1930 ehrt der Münchner Stadtrat den aus der Bayerischen Armee Geschassten mit einem Straßennamen. Allerdings taucht nur der Nachname auf, als ob es sich, wie ein Militärhistoriker schreibt, um einen General handle. Die „Gemingstraße“ liegt in der Nähe der Rennbahnstraße und führt über die Traberstraße hinaus (Daglfing / Bogenhausen). Sie könnte auch seinem Vater gelten.

Die regionale Presse entwickelt wenige Monate nach seinem 40. Todestag das Etikett des „Till Eulenspiegel von Nürnberg“ (23.11.1933). Das Narrativ vom guten Menschen mit sonnigem Gemüt und unverwüstlichem Humor festigt sich ab 1936 zum 100.Geburtstag (Bayerische Volkszeitung 16.09.1936). Sämtliche Streiche und sein turnerisches Talent finden Erwähnung.  

Zum 60. Todesstag 1953 lobt die Presse in Nürnberg dann schon einen „Offizier von Wert“, mit „hervorragenden Tugenden“ (11.2.1953) – beides in der Reihung hochselektiv, wenn nicht falsch. Jedenfalls erkennbar hagiographisch, statt historisch motiviert. Trotz seiner Streiche sei er ein „tüchtiger, begabter Mensch“ gewesen, aus dem mehr hätte werden können. Dann versteigt sich das Blatt zu der Aussage: „August Gemming fehlte der Führer“. Dass damit weniger eine Annäherung an die Person August Gemmings, vielmehr eine Instrumentalisierung seines Typus für politische Zwecke vorlag, ist evident.

© Stadtarchiv München

Heute ruht Gemming mehr oder weniger vergessen auf dem Alten Nördlichen. Die Reduktion seiner Arbeiten aufs sonnig Frohsinnige, gnädig Heitere oder kernig Landsknechthafte verhinderte, dem widersprüchlichen Multitalent gerecht zu werden. So epigonal sein Werk auf weite Teile sein mag, so sehr entgingen solchen Zuschreibungen, die interessanten Aspekte dieses Autors. Sie entdecken sich durch Kontextualisierung von lebensgeschichtlichen, militär- bzw. monarchie-historischen sowie künstlerischen Fakten. 

Wer mag, kann in Elvira Steppachers Blog und in der Zeitschrift „Fundgrube“ mehr lesen. August Gemming ist Ko-Protagonist in Von Fall zu Fall. Ein Stundenheft. Das Buch erhielt den Jurypreis des internationalen Literaturpreises „Gesund schreiben 2021“ und erschien 2022 im Braumüller-Verlag Wien. Auf einer eigenen Facebook-Seite sind Auszüge des Buches und seiner Entstehung auf dem Alten Nördlichen Friedhof dokumentiert.

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