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29.02.2024, 15:41 Uhr
Patricia Blob
Text & Debatte

Beiträge zum Werk von Tankred Dorst und Ursula Ehler

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Tankred Dorst und Ursula Ehler, Bayerische Akademie der Schönen Künste („Europa, literarisch '87. Eine Reihe“), 6. November 1987 (Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv/Timpe)

Ursula Ehler, die preisgekrönte Dramatikerin und Partnerin von Tankred Dorst, ist diese Woche, am 26. Februar, im Alter von 84 Jahren in Berlin verstorben. Das Literaturportal gedenkt Ursula Ehler mit einer Rezension von Patricia Blob über das literarische Gesamtwerk des Künstler-Ehepaares Dorst und Ehler:

Tankred Dorst zählt zu den führenden Dramatikern der Nachkriegsliteratur. Der vorliegende Band „Unser Leben ist ein Gespräch“. Beiträge zum Werk von Tankred Dorst und Ursula Ehler versammelt die Vorträge des 2018 stattgefundenen Gedenkkolloquiums zu Ehren des 2017 verstorbenen Dorsts und wurde in Zusammenarbeit von Ingrid Bennewitz und Friedhelm Marx 2020 herausgegeben. Eine Auswahl der Beiträge wird im Folgenden vorgestellt.

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Die Werke Tankred Dorsts decken eine Bandbreite an literarischen Stoffen ab; vom Absurden und Grotesken (Große Schmährede an der Stadtmauer, 1961) über gesellschaftliche Wirklichkeit (Toller, 1968) bis hin zur Rezeption mittelalterlicher Literatur (Merlin oder Das wüste Land, 1981). Ab Anfang der 1970er war seine Ehefrau Ursula Ehler an seinem literarischen Schaffen beteiligt, indem sie als Co-Autorin und Mitherausgeberin mitwirkte. Zudem war sie an dem hier zugrundeliegenden Gedenkkolloquium 2018 beteiligt, das in Kooperation mit der Bayerischen Akademie der Schönen Künste an der Bamberger Universität stattfand.

Ernst August Klötzke, als Musikwissenschaftler und Komponist tätig, nähert sich den Werken Dorsts aus einer außergewöhnlichen Sichtweise an, indem er seine Überlegungen Zum Musikalischen in der Sprache bei Tankred Dorst ausführt. In den meisten Stücken Dorsts sind singende und tanzende Figuren zu finden, was zeigt, dass die Musik eine wichtige Rolle in dessen Werken einnimmt. Beispielhaft macht Klötzke an dem 1971 verfilmten Szenario Sand fest, dass die verwendete Sprache und Musik von Dorst gezielt durch gleiche Parameter, wie etwa dem Rhythmus, miteinander verbunden wurden, wodurch ganz bewusst bestimmte Emotionen ausgelöst werden. Das zentrale Prinzip von Klözkes Betrachtung ist es, musikalische Parameter in der Sprache Tankred Dorsts zu finden und diese in ein Verhältnis mit anderen musikalischen Parametern zu setzen. So sieht Klötzke, dass Dorst, nach einer musikalischen Vorgehensweise, Wörter und Klänge in seinen Texten kontinuierlich wiederholt, diese aber durch die jeweilige Kontextualisierung unterschiedliche Bedeutungen erhalten. Das zeigt er am Beispiel des Schauspiels Die Legende vom armen Heinrich, welches Klötzke selbst, im Zuge seiner Tätigkeit als Komponist in Form einer Kammeroper vertonte.

Die Literaturwissenschaftlerin Siegrid Schmidt fokussiert sich in ihrer Ausführung Du meinst, die Geschichte widerlegt die Utopie? Worte und Klänge aus der Tiefe der Zeiten auf Dorsts Mittelalter-Rezeption, genauer gesagt auf das 1981 erschienene Theaterstück Merlin. Dorst greift in diesem Stück den bekannten Artus-Stoff auf und setzt diesen in einen modernen Rahmen mit Gegenwartsbezug. Schmidt folgt in ihrem Essay der Frage, welche Zeiteinflüsse einen literarischen Text auf welche Weise modifizieren, und untersucht dafür Merlin und zwei seiner Prätexte, Morte d’Arthur von Thomas Malory (1485) und Der König auf Camelot von T. H. White (1958).

Dorst selbst versteht diese Prätexte keineswegs als Vorlagen für sein Werk, sondern vielmehr als Impulsgeber, sodass sich die daraus stammenden historischen Elemente in Verbindung mit Dorsts eingebrachten Aspekten aus der Gegenwart zur Zeit der Entstehung des Theaterstücks, zu einem neuen Gesamtwerk erschließen. So führt Dorst moderne Figuren ein, wie etwa einen Monsieur Rothschild als Vertreter der neuzeitlichen Finanzwirtschaft, verarbeitet aktuelle Ereignisse, u.a. die erste Mondlandung, und verwendet moderne Begriffe wie ‚Zeppelin‘ oder ‚Organtransplantation‘. In einem abschließenden Vergleich von Merlin und den beiden Prätexten zeigt Schmidt auf, dass zwar alle drei Texte den Artus-Stoff aufgreifen, aber durch ihre Entstehungskontexte mit unterschiedlichen politischen und kulturhistorischen Diskursen verbunden sind und daher zu verschiedenen literarischen Lösungen kommen. Die Autorin zeigt dies beispielhaft an den Schlusspassagen der vergleichenden Texte auf.

Ursula Ehler (l.) mit der Bühnenbildnerin Monika von Zallinger bei der Verleihung des Großen Literaturpreises an Hilde Spiel und der Wilhelm Hausenstein-Ehrung an Karl-Heinz Hahn am 18. Mai 1988 (Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv/Timpe)

Siegrid Schmidt zog für diesen Beitrag Aussagen von Dorst aus einem Gespräch zwischen ihnen beiden mit Ulrich Müller sowie Ursula Ehler heran, welches ebenfalls in diesem Buch abgedruckt ist. Anlass für dieses 2008 geführte Gespräch war Dorsts Inszenierung von Wagners Ring des Nibelungen in Zusammenarbeit mit Ehler bei den Bayreuther Festspielen, welche von 2006 bis 2010 in dessen Programm zu finden war. Dorst berichtet hier u.a., aus welchen Gründen er mit der Inszenierung betraut wurde. Darüber hinaus klingt der umfangreiche und herausfordernde Entstehungsprozess seines Werks an, welches er teilweise aus dem Krankenhaus heraus erarbeitet hat.

Über die hier vorgestellten Aufsätze hinaus finden sich in dieser Sammlung außerdem Beiträge von Norbert Abels, Ingrid Bennewitz, Iris Hermann, Friedhelm Marx, Frank Piontek, Wulf Segebrecht, Oswald Panagl, Albert Gier und Michael Krüger. Diese befassen sich z.B. mit einzelnen Werken, wie dem Roman Dorothea Merz und dem Drama Karlos oder mit Dorsts Verhältnis zu dem Münchner Marionettentheater Kleines Spiel, an dem er jahrelang als Dramatiker tätig war.

Das Buch ist eine gelungene Sammlung an Beiträgen, die die Bandbreite des Gesamtwerks von Tankred Dorst und Ursula Ehler widerspiegelt.

 

„Unser Leben ist ein Gespräch“. Beiträge zum Werk von Tankred Dorst und Ursula Ehler. Herausgegeben von Prof. Dr. Ingrid Bennewitz, Prof. Dr. Friedhelm Marx. Ergon, 2020, 170 S., broschiert, ISBN 978-3-95650-656-7, € 38,00

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