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08.04.2013, 09:55 Uhr
Frank Piontek
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [122]: Wie man Facetten oder Glanzecken anschleift

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Ein Diamantenbild aus Jean-Baptiste Taverniers "Reisen in die Türkei, Persien und Indien" (1681)

Beata kränkelt; es fehlt ihr aber nicht ein, es fehlen ihr ein paar hundert Ärzte. Er erläutert den Sprachwitz: es fehlt ihr (gleichsam einfach) Gesellschaft. Sie soll „auf irgendein Beet des Hofgarten“ verpflanzt werden, also am Hof als Fräulein dienen, und wir ahnen, wie das – bei „Jean Pauls“ Hofsicht und -Kritik – ausgehen könnte. Jetzt die Stelle: „gleichwohl sollen seiner Tochter durch Juden und durch Diamant-Pulver Facetten oder Glanzecken angeschliffen werden“.

„Durch Juden“? Was meint das? Der Kommentar erläutert es nicht, er hält sich bedeckt, als könne man es sich denken, aber der Leser kann es sich, 2013, nicht mehr so leicht denken, wenn er nicht „das“ „Judenbild“ des späten 18. Jahrhunderts parat hat. In Zusammenhang mit der Hofkritik muss die Stelle problematisch erscheinen – sei es, weil „die Juden“ ihrem glänzend-glitzernden Handels-Gewerbe nachgehen, das auch heute noch, zumal in Antwerpen, traditionell sehr viele Juden innehaben. Welche metaphorische Bedeutung aber könnte die Stelle haben? Welche Art von „Glanzecken“ könnten hier, abgesehen von den Diamanten, die Beata tragen könnte (was der Reinen nicht passen würde), „angeschliffen werden“?

Die Stelle bleibt, so sehr die Diamanten leuchten, mit denen „die Juden“ zwanglos in Verbindung gebracht werden können, seltsam dunkel. Es ist nicht irgendeine political correctness, die die Deutung so schwierig macht.

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