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22.05.2024, 10:34 Uhr
Siegfried Völlger
Text & Debatte
(c) Verlag Klingenberg

Besprechung des Lyrikbandes "L’extase simple de respirer / Die einfache Ekstase des Atmens" von Jean Perron

2024 erscheint im Grazer Verlag Klingenberg der Band Lyrikbandes L’extase simple de respirer / Die einfache Ekstase des Atmens von Jean Perron. Der 1960 geborene Lyriker wird darin zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt. Der in Augsburg lebende Autor Siegfried Völlger bespricht den Band für das Literaturprotal Bayern.

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Gerne nähere ich mich einem Gedichtband langsam, fast könnte man sagen vorsichtig, anpirschen (nicht wie Jäger ans Wild, eher wie ein Fotograf, der, glaub ich, noch vorsichtiger sein muss, er will das Wild ja länger beobachten, nicht verscheuchen, nicht töten.) Ein Gedichtband, klein, kartoniert, unauffällig braun, mit Bäumen auf dem Cover, sehr zurückhaltend, aber der Titel ist nicht bescheiden:

Die einfache Ekstase des Atmens

Einfach

Ekstase

Atmen

Atmen ist das selbstverständliche, das immer bleibende und sollte also einfach sein, Ekstase ist eher Ausnahmezustand, Aufgeregtheit. Ein Versprechen also: Ekstase im Selbstverständlichen.

Jean Perron, 1960 geboren, wird in einem kurzen Porträt am Ende des Buches vorgestellt. Er hat 24 Bücher veröffentlicht, darunter vierzehn Gedichtbände. Er ist auch Musiker, dreht Kurzfilme – ein vielfältiger und sehr aktiver Künstler wird da vorgestellt. Jetzt bleibt mir keine Ausrede, ich muss anfangen seine Gedichte zu lesen.

Der Autor spektakelt und mirakelt nicht herum, er betrachtet die Welt und alle ihre Kleinigkeiten, übersieht auch die Großen nicht und sieht, soll ich so pathetisch sein? sieht das Wunderbare in den alltäglichen Erscheinungen. Er betrachtet, beobachtet, folgt den sichtbaren Dingen noch ein Stück weiter, dorthin, wo ein Dichter hinschauen kann – und weil er‘s aufschreibt, auch Leserin und Leser. Man kann ihn hervorragend als Lehrer nutzen, er zeigt auf etwas und zeigt uns, was da noch zu finden ist, etwas, das wir vielleicht übersehen hätten.

Ein Gedicht, aus dem auch der Buchtitel stammt, heißt

DER ANDERE WEG

das beschreibt recht gut seine Methode.

Dort

sind die ziele nur anhaltspunkte

sagt er und wir wissen, dass auf ein festes Ziel hinzuleben, ohne Ausweichmöglichkeiten, ohne Abweichungen, das Leben starr und macht und Freiheit nimmt, zumindest sehr einschränkt.

Ziele als Anhaltspunkte, mit der Möglichkeit, zu variieren, sich an neue Situationen anzupassen, neuen Ideen, Einfällen nachzugehen.

der stand der sonne

nur eine variation von licht

fürs vergnügen des auges

nicht die schneide einer genauen stunde

in einem vorgeschriebenen

und unzumutbaren zeitplan

Und wieviel Trost steckt in einem Vers wie

das leben ist eine symphonie

starker und sanfter bilder

der Trost im Alltag, in alltäglichen Dingen, Situationen, Bildern – man mag ihm einfach gern folgen, und weitergehen, ihn als Anreger nutzen, als Hinweisgeber.

Im Buch gibt es einige Schwarzweiß Fotos, die ebenfalls Alltägliches zeigen und, aufmerksam gemacht auf die „einfache Ekstase“, sieht man die Schönheit und Freude, die in einem Bild von einem Bachufer vermittelt wird.

Es gibt nur diesen einen Gedichtband in deutscher Übersetzung. Insgesamt hat Jean Perron 14 Lyrikbände veröffentlicht. Nach der Lektüre des einen stell sich der dringen Wunsch nach mehr ein.

Es lohnt sich, diese feinen Gedichte zu lesen. Noch ein Beispiel:

Ich nehme als Schlussbild das:

eine katze überquert die straße

zwischen ihren kiefern ein kleines tier

oder ein stück der nacht

 

sie hat es gepackt, wie

ein dichter den moment ergreift

 

Jean Perron: L’extase simple de respirer / Die einfache Ekstase des Atmens (aus dem Französischen von Reinhard Lechner) Verlag Klingenberg, Graz, 2024. ISBN 978-3-903284-14-2, 14,90 €

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