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Steintafel an der Außenmauer der Friedhofskapelle. Foto: Rosmarie Mair

Babenhausen: Totentanz

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Hermann Kirchhoff: Der Totentanz zu Babenhausen, 1984, S. 22.

Von literaturgeschichtlicher Bedeutung ist der Füssener Totentanz im Kloster St. Mang, der älteste noch erhaltene Totentanzzyklus in Bayern (entstanden um 1602). Dass aber auch die Friedhofskapelle St. Maria in Babenhausen (Landkreis Unterallgäu) einen Totentanz beherbergt, ist weniger bekannt. Dabei verdienen die sieben, um 1722 entstandenen Fresken in der Friedhofskapelle Babenhausen durchaus eine nähere Betrachtung.  

Zum Totentanz

Der Totentanz kommt ab dem Spätmittelalter in Europa als eigene Kunst- und Literaturgattung auf. Der personifizierte Tod, meist als Skelett dargestellt, holt Menschen unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten zum letzten Tanz. Die kunstvollen Bilderzyklen, angebracht in Kirchen, Klöstern und an Friedhofsmauern, sind als Reaktion auf verheerende Seuchen, vor allem die großen Pestepidemien, zu sehen. Der Totentanz soll an die Endlichkeit erinnern und vor Augen halten, dass Reichtum oder Macht im Augenblick des Sterbens nichtig sind. Die Bilder sollen den Tod bannen und die Gläubigen zu Todesbereitschaft, Buße und Umkehr aufrufen. 

1709 wird auf Veranlassung des berühmten Barockpredigers Abraham a Santa Clara (1644-1709) die Totenkapelle der Wiener Augustinerkapelle mit einem Totentanz versehen. 1710 erscheint posthum sein Buch Totenkapelle mit Abbildungen von 68 Kupferstichen des Nürnbergers Christoph Weigel. 

Der Totentanz Babenhausen

Als die Fresken um 1722 entstehen, liegt die letzte große Pestepidemie in der Gegend um Babenhausen schon mehr als 80 Jahre zurück. Die Bilder haben vermutlich weniger zum Ziel, den Tod zu bannen. Sie stehen vielmehr offensichtlich in der von Abraham a Sancta Clara begründeten Augustiner-Totentanz-Tradition, denn sie orientieren sich stark an den Kupferstichen und Texten der Totenkapelle. Wer der Babenhauser Künstler ist, ist nicht gesichert. 

Wie in den Weigel’schen Kupferstichen tanzt der Tod nun aber nicht mehr, er tritt zu den Menschen hinzu, versehen mit uralten ikonographischen Motiven wie Sense, Waage, Sanduhr, Schaufel oder Axt. Bereits Abraham a Sancta Clara spricht in der Totenkapelle deshalb von einem Totenspiegel, nicht mehr von einem Totentanz. In ihrer Gesamtanordnung folgt die Darstellung in Babenhausen aber dem typischen Totentanzschema. Die drei Bilder der oberen Empore stellen den Tod wichtiger kirchlicher und weltlicher Würdenträger dar (Papst, Kaiser, Prälat). Die vier Fresken der unteren Empore thematisieren, symmetrisch angeordnet, einerseits das Lebensalter in seinen Extremen (Kind/Alter), anderseits ein auf Kontemplation und Jenseitigkeit ausgerichtetes Leben (Mönch) und ein den sinnlichen Genüssen des Diesseits zugewandtes Dasein (Maler). Eindrücklich überbringen die sieben Totentanz-Fresken die Botschaft: Titel, Würden, Reichtümer, Lebensjahre – alles ist vergänglich – Memento mori!

Bei der Renovierung der Friedhofskirche 1861 wurden die Totentanzbilder übertüncht, da sie im Gegensatz zum Nazarener-Stil der Zeit standen. Im Rahmen einer Baumaßnahme 1911 kamen sie wieder zum Vorschein und wurden restauriert. Im Jahr 1987 fand eine neuerliche Überarbeitung und Konservierung der erhalten gebliebenen Substanz statt. Seither erstrahlen die Fresken wieder in leuchtenden Farben.

1.    Bild: Papst und Tod
Lateinische Inschrift „Mortuus est Aaron. Deut. 32“ – (übersetzt „Tot ist Aaron“)
Deutsche Inschrift „Ja Statthalter auf Erden / muß mir zu theil Werden“ 

Foto: Dieter Spindler, Babenhausen

Der Tod fällt mit einer Axt die Säule, auf der die päpstliche Tiara ruht: Auch der Papst, die „Säule der Kirche“, muss sterben. Der Babenhauser Künstler variiert den Text der Weigel‘schen Kupferstich-Vorlage. Dort heißt es noch „Der Statthalter auf Erden, muß dem Tod zu theil auch werden“. In Babenhausen spricht der Tod in der ersten Person „Ja Statthalter auf Erden / muß mir zu theil werden“.

2.    Bild: Was der Sarg dir sagt
Lateinische Inschrift „Haeccine est illa? 4 Reg. 9 (übersetzt: „Ist das denn die …?“)
Deutsche Inschrift „Man kennet Sie nit mehr / Wer Sie Gewest vorher“

Foto: Dieter Spindler, Babenhausen

Vermutlich ist es eine Kaiserin, die den Tod ihres Mannes beweint. Der Tod steht mit Sense und Sanduhr neben dem Sarg und setzt besitzergreifend einen Fuß auf den Rand des Sarges. Tröstlich ist die Darstellung des Kindes, das verspielt den Mantel der Kaiserin trägt und als Symbol für das nachfolgende Leben gedeutet werden kann.

3.    Bild: Prälat und Tod
Lateinische Inschrift „Non habemus hic manentem civitate. Hebr. 13“ (übersetzt: „Wir haben hier keine bleibende Statt“)
Deutsche Inschrift „Auch Inful und Hut / der Tod nit schonen thut“

Foto: Dieter Spindler, Babenhausen

Der Tod ist mit einem Totenlaken bekleidet und hält eine Waage in seiner Hand. In der linken Waagschale liegen ein Kardinalshut und die Mitra des Bischofs (Inful); in der rechten Waagschale liegen Sense und Krone des Todes, die schwerer wiegen. Auf dem Baumstumpf liegt ein Totenkopf, um den sich eine Schlange windet.

4.    Bild: Kind und Tod
Lateinische Inschrift „Cecidit flos. Esaia. 40“ (übersetzt „Die Blume welkt“, nach einer Stelle im 40. Kapitel des 2. Jesaja-Buchs „Das Gras verdorrt, die Blume welkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit“). 
Deutsche Inschrift „Auch schon die Wiegen / ist zum Todt ein Stiegen“

Foto: Dieter Spindler, Babenhausen

Kaum ein Totentanz verzichtet auf die das Thema Tod eines Kindes, da es die Sinnlosigkeit und den Schrecken des Todes am deutlichsten macht. Der Tod steht, aufgestützt auf einen Spaten, neben der Wiege und hält dem Kind ein Spielzeug hin, um es vom schrecklichen Geschehen abzulenken. Doch der Blick des Kindes geht bereits in die Ferne.

5.    Bild: Mönch und Tod
Lateinische Inschrift „Quotidie morior. J. Cor. 15“ (übersetzt „Täglich sterbe ich …“ in Anlehnung an eine Aussage des Paulus im Korintherbrief) 
Deutsche Inschrift „Betracht ich, Was noch muß Werden / So frag Wenig nach der Erden.“

Foto: Dieter Spindler, Babenhausen

Der Mönch wird mit einem Totenschädel in der Hand gezeigt, Sinnbild dafür, dass sein Leben der ständigen Auseinandersetzung mit dem Tod gewidmet ist. Er setzt seine Hoffnung auf das ewige Leben.

6.    Bild: Maler und Tod
Lateinische Inschrift „Fugit velut umbra. Job.7“ (übersetzt: „Es ist vergänglich wie ein Schatten…“. Deutsche Inschrift „Alle Kunst ist umb sunst / und beim Tod ohne Gunst“

Foto: Dieter Spindler, Babenhausen

Der Tod tritt hinter den Maler und nimmt das Bild von seiner Staffelei, noch ehe er das Portrait einer Frau vollenden kann. Auch die Gemäldeablage des Künstlers enthält keine Bilder mehr, nur noch ein Totenschädel liegt darin. Als Ertrag seines künstlerischen Lebenswerks bleibt nur der Tod.

7.    Bild: Alter und Tod
Lateinische Inschrift „Defecerunt sicut fumus dies mei, Ps. 101 (übersetzt „Meine Tage vergehen wie Rauch“)
Deutsche Inschrift „Das Alter, Gut und Gelt / Vergehet sampt eitler Welt“

Foto: Dieter Spindler, Babenhausen

Ob auf dem Bild eine Frau oder ein Mann dargestellt ist, bleibt unklar. Die Goldpokale auf dem Tisch und das kostbare Bettzeug samt Baldachin lassen auf Reichtum schließen. Der Tod tritt auf diesem Bild nicht in Erscheinung. Im Kontrast zum alten Menschen im Bett steht das Kind am linken Bildrand, das ganz in sein Flötenspiel vertieft ist.

Die Friedhofskapelle ist normalerweise verschlossen. Ein Besuch ist nach Anmeldung beim Touristenbüro der Gemeinde Babenhausen möglich.

Otto Jochums Oratorium „Der Totentanz“

Die Konfrontation mit Tod und Leid im 1. Weltkrieg haben den aus Babenhausen stammenden Komponisten, Chorleiter und Musikpädagogen Otto Jochum (1898-1969) tief berührt und ihn um 1920 zu einem Oratorium angeregt. Das Oratorium ist auf die sieben Bilder und Texte des Totentanz Babenhausen abgestimmt. Lange Zeit galt dieses Frühwerk Jochums als verschollen. Erst ein halbes Jahrhundert später wurde es von Fritz Fahrenschon, dem Leiter des gemischten Chors Liedertafel Babenhausen, nach intensiver Suche aufgefunden und so umgearbeitet, dass es am 19. März 1978 – über 50 Jahre nach seiner Entstehung – in Babenhausen uraufgeführt werden konnte. In der Folgezeit ist das Oratorium mehrfach zu Festtagen der Gemeinde oder Gedenktagen der Familie Jochum zur Aufführung gebracht worden, etwa im November 2022 zum Gedenken an den 100. Geburtstag des berühmten Dirigenten Eugen Jochum, Otto Jochums jüngeren Bruder. 

Verfasst von: Digitaler Literaturatlas von Bayerisch Schwaben DigiLABS / Rosmarie Mair, M.A.

Sekundärliteratur:

Fahrenschon, Fritz (2010): Der Babenhauser Totentanz – ein Oratorium nach Bildern in der Friedhofskapelle von Otto Jochum – seine Geschichte und musikalische Deutung. In: Beiträge zur Geschichte. Bd. III (2010/2011). Hg. Historischer Verein Babenhausen e.V.

Kirchhoff, Hermann (1984): Der Totentanz zu Babenhausen. Weißenhorn.

Mair Rosmarie (2004): Der Totentanz zu Babenhausen und seine Vertonung durch Otto Jochum. In: Der Schwabenspiegel. Jahrbuch für Literatur, Sprache und Spiel, hg. vom Archiv für Literatur aus Schwaben, H. 4-5, S. 358-367.


Externe Links:

Babenhausener Totentanz in der Wikipedia

Verzeichnis der öffentlich zugänglichen Totentänze in Deutschland

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