Sandra Hoffmann ist: DRINNEN (52). Und schreibt ihre letzte Kolumne

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Alle Bilder (c) Sandra Hoffmann

Sandra Hoffmann arbeitet seit einem Studium der Literaturwissenschaft, Mediävistik und Italianistik (M.A.) als freie Schriftstellerin und lebt seit Ende 2012 in München. Bisher hat sie sieben Romane veröffentlicht. Sie schreibt Radiofeatures und Radioessays u.a. für den Bayerischen Rundfunk und v.a. Reisereportagen für DIE ZEIT. Auf dem Literaturportal Bayern veröffentlichte sie von 2021 bis 2022 die Kolumne DRAUSSEN. Sie unterrichtet kreatives und literarisches Schreiben u.a. an der Universität Karlsruhe, dem Literaturhaus München und der Bayerischen Akademie des Schreibens sowie für Goethe-Institute im Ausland. Für ihren Roman Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist (Hanser, 2012) erhielt sie den Thaddäus-Troll-Preis, für ihren letzten Roman Paula (Hanser, 2019), der durch ein Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern gefördert wurde, den Hans-Fallada-Preis. 2019 erschien mit Das Leben spielt hier ihr erstes Jugendbuch. Für den eben erst erschienenen Roman Jetzt bist du da (Berlin Verlag, 2023) bekam sie 2020 das Münchner Arbeitsstipendium. 2022 erhielt sie vom Freistaat Bayern das Arbeitsstipendium Neustart-Paket Freie Kunst.

In den kommenden 52 Wochen schreibt Sandra Hoffmann für das Literaturportal Bayern wieder eine Kolumne: DRINNEN. Momentaufnahmen aus dem (halb)privaten Leben. Anders als Natur-Räume ermöglichen uns Innenräume, wenn es nicht gerade öffentliche Räume sind, nur einen privaten Blick. Wir sehen dort hinein, wo wir Einlass bekommen, oder wir uns den Einlass erkaufen, wie etwa in Museen, Zügen, Hotels. Es geht um Wahrnehmung. Diesmal aber von Orten, von Menschen, Begegnungen, Situationen. Immer mit der für Literatur relevanten Frage: Wie spiegelt sich im Kleinen oder im Privaten auch das große Ganze, die Welt. Wer sind wir im (anscheinend so) Geborgenen?

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52

Ich dachte immer, ich sei nicht gut in Abschied. Was heißen sollte, ich weine beim Abschied, ich brauche nach dem Abschied noch lange, um mich von dem Gefühl, dass etwas nun vorbei ist, zu lösen, und ich brauche lange, um mich auf etwas Neues einlassen zu können, wenn ich mich mal verabschiedet habe. Aber eigentlich denke ich inzwischen, das stimmt zwar alles, aber ist das nicht sogar eine Qualität? Dass ich einfach nicht so tue, als ob ein Abschied nichts wäre, als ob es nichts ausmache, dass etwas zu Ende geht, dass etwas so nicht mehr weitergeht, dass ich etwas oder jemanden loslassen muss, oder auch nur Rituale.

Das hier ist meine letzte Kolumne. Erst einmal. Keine Ahnung, ob ich wieder eine neue schreiben werde, und wo ich eine neue schreiben werde und ob? Dies ist aber auf jeden Fall meine letzte Kolumne für dieses Jahr an diesem Ort. Es ist mein Abschied von meiner Kolumne, die ich nun 104-mal, also 52-mal über „Draußen“ und 52-mal über „Drinnen“ geschrieben habe. Nun ist es damit vorbei. Nun ist es aber auch mal gut, könnte man sagen. Aber tatsächlich sage ich das jetzt gar nicht. Tatsächlich war das immer sehr schön, zwei Jahre lange immer sehr schön, einmal pro Woche und spätestens am Donnerstag an meinem Schreibtisch zu sitzen, ein Foto zu haben, das mit der Sache zu tun hat, über die ich schreiben möchte, und zu versuchen, so lässig wie möglich – das war meine Bedingung an mich selbst – also so lässig wie möglich über etwas zu schreiben, was mich in dieser Woche irgendwie bewegt hat, was mir aufgefallen ist, eingefallen, was ich gesehen, gehört oder gemacht habe. Und egal ob über Draußen oder Drinnen, immer war das so eine Reflexion, nahe an der Welt, in der ich lebe. Immer war das so ein Nachdenken, das in dieser Weise nicht stattgefunden hätte, wenn ich nicht gewusst hätte: Hey, die Kolumne wartet.

Und ich weiß nun gar nicht, wie ich hier rauskomme, aber vielleicht mit einem etwas merkwürdigen Schlenker: Eine Kolumne ist kein offener Brief und auch kein Bekenntnis. Und man darf darin zum Glück seine Ambivalenz erzählen, zu allem, was auf der Welt passiert. Das ist gut. Das habe ich irgendwie versucht. Und manches ausgelassen dabei. Extra. Aber eine Eindeutigkeit zum Schluss: Ich glaube an die Kraft der Demokratie und ich bin froh über alle Menschen, die sich in andere Menschen einfühlen können, gleich welcher Hautfarbe und welcher Herkunft. Ich glaube an die Aufklärung. Ich glaube, dass man nicht immer für etwas oder jemanden und gegen etwas oder jemand anderen sein muss. Ich bin froh, dass das so ist. Ich glaube daran, dass man sich nicht immer einig sein muss, aber trotzdem miteinander sprechen kann. Ich glaube daran, dass sprechen hilft. Schreiben ja eh. Und ich sage hiermit: Tschüss Kolumne, tschüss ihre lieben Leserinnen und Leser!

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Alle Folgen der Kolumne finden Sie HIER.