Rabe Perplexum
Rabe Perplexum wird 1956 in München als Manuela Margarete Hahn geboren. Sie entwickelt früh ihr künstlerisches Talent. Nach Ballett-, Schauspiel- und Zeichenunterricht besucht sie die Akademie für Bildende Künste in München und studiert dort beim Konzeptkünstler Robin Page. 1981 hat sie einen Auftritt in der Fernsehkrimiserie Derrick in der Folge „Das sechste Streichholz“. Wenig später ändert sie ihren Namen: Sie nennt sich fortan Rabe Perplexum. „Ich nenne mich Rabe weil ich innerlich und äußerlich total schwarz bin. Meine Federn sind abgebrochen. Das sieht man leider nicht. Ich mag nicht mehr allzu viel sagen. Ich dreh mich jetzt um“, sagt Rabe Perplexum vor laufender Kamera und wendet sich ruckartig ab. Sie schreibt und spricht von sich als „der Rabe“. Der Nachname „Perplexum“ entspreche ihrem Gefühl von Erstaunen und Bestürzung.
Die selbsterfundene neutrale Geschlechtsidentität wird verschieden interpretiert. Manche vertreten die Ansicht, sie diene ihr vor allem dazu, ihre Verletzlichkeit zu verbergen. Andere betonen Aspekte der Selbstermächtigung: Als Rabe Perplexum schaffe sie sich selbst eine queere Künstleridentität jenseits binärer Kategorien. „Nicht Mann, nicht Frau, nur Rabe“, heißt es denn auch in einem Filmporträt des WDR von 1984. In Tagebüchern und Notizheften beschäftigt sich Rabe Perplexum mit ihrer Identität. Sie hält dort fest: „Rabe liebt Männer“. Sie ist verheiratet mit Anton Paula und lässt sich nach der Trennung nicht scheiden. Auf Formularen kreuzt sie weder Mann noch Frau an, sondern schreibt „Rabe“. Ihre Aktivitäten beschreibt sie im Maskulinum folgendermaßen:
Schauspieler – Maler – Schmuckdesigner – Computergrafik – Animation – Video – Schreiber – Regie – Ausstattung – Performer – Bild – Hauer – Konzeptbrachialanalytiker etc. – deut. Wert – Arbeit – nicht schlächter (A. d. A.) als ein Industrieprodukt – systemkompartibel – mit – UP-DATE SERVICE – R.p. Standart – Version 3.0 – Entwicklungsstufe 9 – Förderpreisträger der Stadt München – Expressiver Realexpander.
Den neu geschaffenen und bis 1999 jährlich vergebenen Kulturförderpreis der Landeshauptstadt München erhält sie als erste 1986 für „Neue Ausdrucksformen im Bereich der Bildenden Kunst“.
Rabe Perplexum ist eine stadtbekannte Figur. Sie inszeniert sich als Gesamtkunstwerk und provoziert. Sie klettert extravagant bunt gekleidet auf Bäume, krächzt von dort aus in die Kamera. Sie verhüllt die Bavaria und streicht ihr Gesicht schwarz an. Den dabei gedrehten Film nutzt sie, um in der Hochschule für Architektur eine weitere Performance durchzuführen. Bilderausstellungen begleitet sie mit ausgefallenen und lauten Aktionen. Sie gilt als abgründig, sensibel und kritisch. 1988 erhält sie beim 10. Internationalen Videofestival Tokio den dritten Preis für den 20-Minuten-Film The Unknown Artist, den sie gemeinsam mit ihrem Kunstpartner Alex „Geier“ Anders produziert. In ihrem Tagebuch notiert sie: „Ein erlöster Rabe ist weiß“. 1996 nimmt sie sich im Alter von 39 Jahren in München das Leben. Ihr Grab befindet sich im Münchner Westfriedhof bei ihrer Großmutter und Mutter. (Grab 066-2-31)
Ihr Nachlass befindet sich in 19 Umzugskartons in der Monacensia: Notizhefte, Tagebücher, Zeichnungen, Bilder, mehrere tausend Fotos, Drehbücher, Theaterstücke und rund 500 noch ungesichtete Videokassetten sowie Presseberichte und Korrespondenzen, Kleider (schwarze Lederjacke, Rabenmaske, Nietenarmband) oder Objekte (Plüschraben, Puppen, medizinische Instrumente, Degen, Morgenstern). Ihre Arbeiten sind eng mit München verbunden: Sie agiert im Kontext der Volkshochschule, wirkt in der Galerie der Künstler, in der Kunsthalle 20, Lothringer 13, Diskothek P1, den schwul-lesbischen Clubs Soul City und Pow Wow oder der Alabamahalle, wo sie u.a. mit Cora Frost auftritt. In ihrem Nachruf schreibt die Süddeutsche Zeitung 1996: „Rabe Perplexum war eine jener selten gewordenen Künstlerfiguren der Stadt München, die zwischen Schrillem und Schrägem changierten und dennoch mehr zu sagen hatten als nur aufzufallen“. 1998 findet eine Retrospektive in der Rathausgalerie in München statt. 2021 widmet die Monacensia ihr einen Schwerpunkt innerhalb der Ausstellung „Pop Punk Politik – Die 80er Jahre in München“.
Sekundärliteratur:
Fischer, Ulrich Fips (1998): Chronik einer Begegnung mit Rabe Perplexum, München. Textauszüge: http://www.arteminent.de/rabe.pdf, (19.04.2022).
Schmitter, Frank (2018): Der Nachlass von Rabe Perplexum in der Monacensia. In: Erich Conradi (Hg.): Es bleibt die Kunst: Symposium und Ausstellung „Halbwertzeiten – Langwertzeiten“ zum Thema Vor- und Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern. München, S. 70-73.
Externe Links:
Literatur von Rabe Perplexum im BVB
Literatur über Rabe Perplexum im BVB
Faszination Rabe perplexum: Ein Werkstattbericht | #femaleheritage
Rabe Perplexum wird 1956 in München als Manuela Margarete Hahn geboren. Sie entwickelt früh ihr künstlerisches Talent. Nach Ballett-, Schauspiel- und Zeichenunterricht besucht sie die Akademie für Bildende Künste in München und studiert dort beim Konzeptkünstler Robin Page. 1981 hat sie einen Auftritt in der Fernsehkrimiserie Derrick in der Folge „Das sechste Streichholz“. Wenig später ändert sie ihren Namen: Sie nennt sich fortan Rabe Perplexum. „Ich nenne mich Rabe weil ich innerlich und äußerlich total schwarz bin. Meine Federn sind abgebrochen. Das sieht man leider nicht. Ich mag nicht mehr allzu viel sagen. Ich dreh mich jetzt um“, sagt Rabe Perplexum vor laufender Kamera und wendet sich ruckartig ab. Sie schreibt und spricht von sich als „der Rabe“. Der Nachname „Perplexum“ entspreche ihrem Gefühl von Erstaunen und Bestürzung.
Die selbsterfundene neutrale Geschlechtsidentität wird verschieden interpretiert. Manche vertreten die Ansicht, sie diene ihr vor allem dazu, ihre Verletzlichkeit zu verbergen. Andere betonen Aspekte der Selbstermächtigung: Als Rabe Perplexum schaffe sie sich selbst eine queere Künstleridentität jenseits binärer Kategorien. „Nicht Mann, nicht Frau, nur Rabe“, heißt es denn auch in einem Filmporträt des WDR von 1984. In Tagebüchern und Notizheften beschäftigt sich Rabe Perplexum mit ihrer Identität. Sie hält dort fest: „Rabe liebt Männer“. Sie ist verheiratet mit Anton Paula und lässt sich nach der Trennung nicht scheiden. Auf Formularen kreuzt sie weder Mann noch Frau an, sondern schreibt „Rabe“. Ihre Aktivitäten beschreibt sie im Maskulinum folgendermaßen:
Schauspieler – Maler – Schmuckdesigner – Computergrafik – Animation – Video – Schreiber – Regie – Ausstattung – Performer – Bild – Hauer – Konzeptbrachialanalytiker etc. – deut. Wert – Arbeit – nicht schlächter (A. d. A.) als ein Industrieprodukt – systemkompartibel – mit – UP-DATE SERVICE – R.p. Standart – Version 3.0 – Entwicklungsstufe 9 – Förderpreisträger der Stadt München – Expressiver Realexpander.
Den neu geschaffenen und bis 1999 jährlich vergebenen Kulturförderpreis der Landeshauptstadt München erhält sie als erste 1986 für „Neue Ausdrucksformen im Bereich der Bildenden Kunst“.
Rabe Perplexum ist eine stadtbekannte Figur. Sie inszeniert sich als Gesamtkunstwerk und provoziert. Sie klettert extravagant bunt gekleidet auf Bäume, krächzt von dort aus in die Kamera. Sie verhüllt die Bavaria und streicht ihr Gesicht schwarz an. Den dabei gedrehten Film nutzt sie, um in der Hochschule für Architektur eine weitere Performance durchzuführen. Bilderausstellungen begleitet sie mit ausgefallenen und lauten Aktionen. Sie gilt als abgründig, sensibel und kritisch. 1988 erhält sie beim 10. Internationalen Videofestival Tokio den dritten Preis für den 20-Minuten-Film The Unknown Artist, den sie gemeinsam mit ihrem Kunstpartner Alex „Geier“ Anders produziert. In ihrem Tagebuch notiert sie: „Ein erlöster Rabe ist weiß“. 1996 nimmt sie sich im Alter von 39 Jahren in München das Leben. Ihr Grab befindet sich im Münchner Westfriedhof bei ihrer Großmutter und Mutter. (Grab 066-2-31)
Ihr Nachlass befindet sich in 19 Umzugskartons in der Monacensia: Notizhefte, Tagebücher, Zeichnungen, Bilder, mehrere tausend Fotos, Drehbücher, Theaterstücke und rund 500 noch ungesichtete Videokassetten sowie Presseberichte und Korrespondenzen, Kleider (schwarze Lederjacke, Rabenmaske, Nietenarmband) oder Objekte (Plüschraben, Puppen, medizinische Instrumente, Degen, Morgenstern). Ihre Arbeiten sind eng mit München verbunden: Sie agiert im Kontext der Volkshochschule, wirkt in der Galerie der Künstler, in der Kunsthalle 20, Lothringer 13, Diskothek P1, den schwul-lesbischen Clubs Soul City und Pow Wow oder der Alabamahalle, wo sie u.a. mit Cora Frost auftritt. In ihrem Nachruf schreibt die Süddeutsche Zeitung 1996: „Rabe Perplexum war eine jener selten gewordenen Künstlerfiguren der Stadt München, die zwischen Schrillem und Schrägem changierten und dennoch mehr zu sagen hatten als nur aufzufallen“. 1998 findet eine Retrospektive in der Rathausgalerie in München statt. 2021 widmet die Monacensia ihr einen Schwerpunkt innerhalb der Ausstellung „Pop Punk Politik – Die 80er Jahre in München“.
Fischer, Ulrich Fips (1998): Chronik einer Begegnung mit Rabe Perplexum, München. Textauszüge: http://www.arteminent.de/rabe.pdf, (19.04.2022).
Schmitter, Frank (2018): Der Nachlass von Rabe Perplexum in der Monacensia. In: Erich Conradi (Hg.): Es bleibt die Kunst: Symposium und Ausstellung „Halbwertzeiten – Langwertzeiten“ zum Thema Vor- und Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern. München, S. 70-73.