Sandra Hoffmann ist: DRAUSSEN (23). Und findet den Regen eigentlich auch schön

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Alle Bilder (c) Sandra Hoffmann

Sandra Hoffmann schreibt Romane, Erzählungen und heimlich Gedichte. Sie unterrichtet kreatives und literarisches Schreiben u.a. am Literaturhaus München und an Universitäten. Außerdem schreibt sie für das Radio und für Zeitungen. Sie lebt in München und Niederbayern, wo sie derzeit viel Zeit in der Natur verbringt. Für ihr literarisches Werk wurde sie vielfach ausgezeichnet; zuletzt erhielt sie für den Roman Paula das Literaturstipendium des Freistaats Bayern und den Hans-Fallada-Preis. 2019 erschien mit Das Leben spielt hier ihr erstes Jugendbuch. Für ein derzeit entstehendes Romanprojekt bekam sie 2020 das Münchner Arbeitsstipendium.

Sechs Monate lang schreibt Sandra Hoffmann für das Literaturportal Bayern eine Kolumne: DRAUSSEN. Ein Album. Darin schildert sie, was sie auf dem Land und seiner Natur erlebt, ob sie nun Rehe und Fasane beobachtet oder zum Essen aufsammelt, was sie vor sich auf dem Boden findet. Vor allem aber geht es um das Gehen selbst und die Gedankengänge dabei, um ein Flanieren zwischen Bäumen, das Blaue vom Himmel über den Wipfeln.

Die Corona-Zeit ist eine Zeit der Einschränkungen, oft der Einsamkeit. Aber an ihr können sich auch die Sinne schärfen. Der besondere Geschmack schrundigen Gemüses, die bangende Pflege eines Quittenbaums. Das ist nichts Geringes. In einer Gegenwart, die uns die Folgen des langen menschlichen Raubbaus an der Natur immer drastischer vor Augen führt, sind darin wesentliche gesellschaftspolitische Fragen angelegt. Die Literatur verfolgt sie seit einiger Zeit mit einer auffallenden Renaissance des Nature Writing, bei Sandra Hoffmann in Form einer Schule der Wahrnehmung: Da DRAUSSEN gibt es etwas zu sehen, zu spüren, zu holen und zu schützen.

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23

Regen. Das ist meistens nicht mein Wunschwetter. Aber wenn ich mal aufhöre, es zu bewerten!

Ich erinnere mich an einen Urlaub vor acht oder neun Jahren, das Kind war etwa dreizehn Jahre alt und kannte Kroatien bereits, kannte es mit Sonne und wolkenlosem Himmel vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Und dann waren wir wieder da und von Tag eins an regnete es. Ich möchte sofort nach Hause, sagte das Kind zu seinem Vater. Zu uns. Sofort! Das Kind sagte das am zweiten Tag und am dritten noch mit etwas mehr Wucht. Der Himmel war grau, Regen prasselte ins Meer, aber es war warm. Fünfundzwanzig Grad. Komm, sagte ich zum Kind, zieh die Badehose an. Wir wohnten an einem kleinen Segelhafen, mit einer langen Mole hinaus ins Meer. In Badeanzug und Badehose und ohne sonst etwas spazierten das Kind und ich also auf die Mole, auf der man einen gewaltigen Anlauf nehmen konnte, um als Bombe, mit Köpfer oder ohne ins Wasser hineinzuspringen, auf dessen Grund man alles sah, so klar war es. Und also nahmen wir Anlauf und sprangen: Wir sprangen viele Male an diesem Tag und am nächsten und am übernächsten auch. Molenspringen wurde zu einem stehenden Begriff für unseren Urlaub. Bei Regen wurde es zur Attraktion. Oder wir.

Daran dachte ich heute schon, als ich bei sowas wie Stark-Regen zuerst keine Lust hatte, hinauszugehen in den Garten, um aus dem Hochbeet Gemüse für die erste Minestrone des Jahres zu ernten. Nimm doch den Schirm, sagte mein Mann. Als ich draußen war und so mit Schirm und Messer und Sieb nass wurde und dennoch Gemüse erntete, war das so schön, dass ich dachte, eigentlich doch sehr in Ordnung alles und wie das Gemüse und die Blätter und die Bäume und die Wiese (und die Schnecken) glänzen. Wunderbar ist das. Und wie großartig alles wächst. Und so ging ich fast ein wenig widerständig, aber doch ganz versöhnt wieder nach drinnen. Um gleich vom Balkon aus, weil es selten so in die Blätter der Bäume im Wald hineinprasselt, mit dem iPhone Regen aufzunehmen. Damit ich diesen Moment nicht vergesse. Damit ich nicht nach Sonne verlange, wenn es doch auch ganz gut ist, wie es ist. Oder eben so ist, wie es ist, bei Regen. Eigentlich auch schön.

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