Die Stadt der Toten

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Boris Pahor, 1958

1967 entsteht Pahors preisgekrönter Roman Nekropolis. Darin schildert er die Irrfahrt eines slowenischen Widerstandskämpfers durch die Konzentrationslager und beschäftigt sich, aus Sicht eines Überlebenden, der zusammen mit einer Touristengruppe die Lager in den 1960er-Jahren besucht, mit der Problematik des Erinnerns und Vermittelns: „Die Touristenblicke, dessen bin ich mir unbeirrbar bewusst, werden nie in die abgrundtiefe Verworfenheit eindringen können, mit der unser Glaube an die Würde des Menschen und an seine persönliche Entscheidungsfreiheit Lügen gestraft wurde.“ (S. 9)

Boris Pahor hat mit seinem Roman vielen Mitgefangenen aus den Lagern ein literarisches Denkmal gesetzt.

Ich sehe aber Gabriele immer noch klar vor mir, wie er neben der Baracke über dem Krematorium steht, wo er wahrscheinlich wohnte. Das Lagerleben hat uns auseinandergetrieben, eine Menschenmenge schob sich zwischen uns, so dass ich ihm nur noch ein Mal begegnet bin, in Dachau. [...] Es war zu der Zeit, als man uns von hier wegbrachte und wir in Papiersäcke eingehüllt schliefen, so dass es die ganze Nacht raschelte; dann sperrte man uns in den Quarantäneblock, den einige erstmals verließen, als man sie nach München brachte, damit sie den Schutt nach einem Bombenangriff wegschaufelten. So irrt Gabriele durch meine Erinnerungen wie eine verlorene Seele aus jenen Tagen des fieberhaften Umzugs; er ist der einsame Wanderer, der aus der endlosen zebragestreiften Reihe heraustrat und sich einen Moment hinsetzte, um sich auf dem langen Weg in die Ewigkeit auszuruhen.

(S. 26f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl