Viktor Mann in Polling

Der jüngste der fünf Geschwister Mann verbringt seine ersten drei Lebensjahre in Lübeck, bevor er nach dem Umzug seiner verwitweten Mutter Julia ab 1893 in München aufwächst. Viktor macht in Polling bei Weilheim eine landwirtschaftliche Lehre und lässt sich zum Diplomlandwirt ausbilden. Im Ersten Weltkrieg ist er Reserveoffizier, danach in der Bayerischen Handelsbank tätig. In seiner Lebenschronik Wir waren fünf (1949) blickt er aus der Sicht des Nachzüglers u.a. auf die frühen Münchner und Pollinger Jahre zurück:

Die Künstler zeichneten und dichteten Kneipzeitungen, die dem „Simplizissimus“ nichts nachgaben, und veranstalteten festliche Umzüge, an denen das ganze Dorf teilhatte. Einmal hatten sie auf einem Ochsenwagen eine groteske Gruppe als „Allegorie der Kunst“ aufgebaut. Der häßliche Schorschl stellte, lieblich geschminkt und mit nichts als Flügeln und einem winzigen Lendenschurz bekleidet, den Genius der Malerei dar. Zuerst grinste er, dann aber wurde er wütend über das Gejohle der Kinder und die Zurufe der Erwachsenen, besonders der Mädchen, und war nur durch eine bedeutende Erhöhung seines Honorars zum Ausharren zu bewegen. Mit bösem Gesicht und halblaut auf die Malerinnen, die „saudummen Weibsbilder, die spinnaten“, schimpfend, fuhr der hoch thronende Genius mit Palette und Malstock weiter durch den Jubel der Pollinger. (Zit. aus: Viktor Mann: Wir waren fünf. Bildnis der Familie Mann. Konstanz 1949, S. 181-189, S. 191-194. © Südverlag, Konstanz 1995)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 37, S. 258f.