Oskar Maria Graf: Frühzeit

Graf datiert den Ursprung seines konsequenten Pazifismus in die Entstehungszeit seines autobiografischen Romans Wir sind Gefangene. Ein Bekenntnis aus diesem Jahrzehnt aus dem Jahr 1927. In der Jahre zuvor erschienenen Beschreibung seiner Jugend- und Soldatenzeit unter dem Titel Frühzeit (1922) – erweitert als erster Teil von Wir sind Gefangene und mit dem zweiten Teil bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fortgeführt – findet sich am Ende ein „Epilog“, der auch den Schluss der späteren Autobiografie zieren wird. In diesem „Epilog“ sind nicht nur die Auseinandersetzungen mit dem älteren Bruder Max formuliert, die Grafs Flucht nach München motivieren, sondern auch die Wurzeln der Konstellation, die sich im Ersten Weltkrieg für Graf anbahnt:

Zehn Jahre war ich alt, als einer in mein Leben trat, erzogen von Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren, und meine Erziehung in die Hand nahm. Zehn Jahre, als einer zu befehlen begann, mich anschrie, prügelte und noch mehr prügelte.

Zehn Jahre war ich alt, als ich anfing zu wissen, was Zwang ist, und anfing, ihn zu hassen, sinnlos zu hassen.

(Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene, S. 466)

Gleichzeitig erzählt Graf in dem erweiterten Teil des Epilogs, wie er den kindlichen Glauben an Gott und die Liebe verliert und sich ein universales Abwehr- und Isolationsgefühl bei ihm einstellt: „Winzig klein wurde mein Kreis und hieß nur noch: Ich. / Ganz plump: Ich. -“ Den bevorstehenden Weltkrieg erfährt er gleichfalls als Bedrohung, die es abzuwehren gilt: „Der Krieg kam und war mir nichts als eine einzige Narretei. Dieser galt es so schnell wie möglich auszuweichen. Sie geschah für irgendwen, und ich wollte nur für mich geschehen. -“ (Ebda., S. 471)

(Dittmann, Ulrich [2000]: Oskar Maria Graf, S. 293f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik

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Fotografie 1928, BSB/Porträtsammlung
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