Literatur und Leiden

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/2014/klein/liebespaare_Brancusi_Roche_Satie__Foster_1923_500.jpg
Brancusi, Roché, Satie und Foster 1923 beim Golfen

Helen Hessel lebt unterdessen ihre Obsession mit Henri-Pierre Roché weiter. Seine zahlreichen Affären quittiert sie ihrerseits mit Liebesabenteuern. Es kommt zu heftigen Auseinandersetzungen, samt Morddrohung von Seiten Helens. Wie Rochés Tagebuch zeigt, ist er ihrer bald überdrüssig. Von der selbstbestimmten neuen Frau ist nicht mehr viel übrig. 1933 endet die Amour fou dramatisch. Bereits vor einiger Zeit hat Henri seine langjährige Geliebte Germaine Bonnard geheiratet und mit Denise Renard, Angestellte einer Kunstbuchhandlung, seit 1931 den Sohn, den Helen sich so sehr von ihm gewünscht hat. Außer sich vor Verzweiflung droht sie, ihn mit ihrer Pistole zu erschießen. Nach diesem Streit werden sich Helen und Henri nie mehr wieder sehen. Helen hasst so wie sie liebt, und sie nimmt auch Franz Hessel das Versprechen ab, den Freund zu meiden.

Henri-Pierre Roché verarbeitet die ménage à trois Jahre später in seinem Roman Jules und Jim, der 1953 erscheint. Das Buch erhält wohlwollende Kritiken und Roché wird mit einem Literaturpreis ausgezeichnet, ein Publikumserfolg ist der Roman nicht. Dies änderte sich erst, als der französische Regisseur François Truffaut das Buch in einem Pariser Antiquariat entdeckt und 1962 mit Jeanne Moreau in der weiblichen Hauptrolle der Catherine (Helen Hessels zweiter Vorname), Oskar Werner als Jules (Franz Hessel) und Henri Serre als Jim (Helen Hessels Kosename für Henri-Pierre Roché) verfilmt. Zu dieser Zeit ist Henri-Pierre Roché, der am 9. April 1959 stirbt, bereits drei Jahre tot. Wer die Personen hinter den Romanfiguren sind, wird erst nach Helen Hessels Tod in den 1980er-Jahren bekannt.

Im Roman finden die Protagonisten ihren Frieden erst im Tod.

Sie gab Gas und riß das Steuer scharf nach links. Der Wagen sprang auf den Gehsteig, erst die Vorderräder, dann die Hinterräder. Vor ihnen das Nichts. Zu spät, um den Wagen herumzureißen, selbst wenn Jim ins Lenkrad gegriffen hätte ... und das Lenkrad hielt Kathe.

Alles was er hätte tun können, wäre sinnlos gewesen. Also tat er besser nichts. Kathes Garn war wohl gesponnen. Kein Ausweg. Jim hatte mit allem gerechnet, nur mit diesem Streich nicht.

Und sie blieb an seiner Seite!

Ach, also liebte sie ihn doch? ... Na, dann liebte er sie auch!

(Henri-Pierre Roché: Werke in zwei Bänden. Jules und Jim. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2005, S. 241.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl