Max Halbe am Tegernsee

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Tegernsee, Blick auf Rottach-Egern. Fotoalbum Ludwig Ganghofer (Archiv Monacensia)

Max Halbe lebt seit 1895 in München, wo er u.a. Mitbegründer der Münchner Volksbühne ist. In der Autobiografie Jahrhundertwende. Geschichte meines Lebens 1893-1914 hält er seine Sommerfrische, ein Fischerhaus am Tegernsee, fest und gedenkt auch an seinen Dichterfreund Oskar Panizza, der hier einen der größten Literaturskandale, die satirische „Himmelstragödie“ Das Liebeskonzil (1894), verfasst:

Wir fanden ein hübsches, wenn auch einfaches Quartier in einem Fischerhaus dicht am See. Im Jahre 719 gründeten Benediktinermönche das Kloster Tegernsee und pflanzten den Keim einer höheren Gesittung, es ist mehr als ein Jahrtausend seitdem vergangen. Panizza wohnte im Gasthaus zur Überfahrt in Egern, schon seit Jahren sein sommerliches Hauptquartier. Es war erst zehn Monate her, seit ich hier im Sommer 1892 zum letzten Mal mit ihm zusammengesessen hatte. Damals war meine Jugend noch unaufgeführt. Fast über Nacht hatte sich der unbekannte Autor einen Namen gemacht. Panizza war von einem brennenden literarischen Ehrgeiz, der ihn langsam auffraß, besessen. Ich war mir nicht sicher, wie Panizza sich zu meinem Erfolg stellen würde. Er hatte mir merkwürdigerweise seit Anbeginn unserer Freundschaft vorausgesagt, dass ich berufen sei, meinen Weg zu machen. Aber der fränkische Querkopf beglückwünschte mich mit einem bemerkenswerten Grad von Wärme zu dem Erfolg.

Ich schätzte ihn als Dichter, als Lyriker wie als Erzähler barock-fantastischer Novellen, hoch. Und er fühlte, dass dies eine von Herzen kommende Anerkennung seiner dichterischen Eigenart war. Dies stolze, verschlossene Herz dürstete nach Lob, nach Beifall, Ruhm, wie der Verschmachtende nach dem rettenden Trunk. Er hat mir schon damals in vertrauten Augenblicken bekannt, dass es da oben bei ihm nicht ganz richtig sei und einmal ein schlimmes Ende nehmen werde. Aber das waren dazumal erst Momente. In den andern, den siegesgewissen Stunden besaß ihn sein Dämon ganz und zwang ihn zu dem großen Werk, mit dem er alle andern bezwingen wollte. Eben um diese Zeit und auf diesem Tegernseer Boden entstand sein Liebeskonzil, das ihm zwei Jahre später eine Gefängnisstrafe eintragen und der Anfang von seinem Ende werden sollte. (Zit. aus: Max Halbe: Jahrhundertwende. Erinnerungen an eine Epoche. München 1976, S. 72-77, S. 79-81.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 67f., S. 251.