Die Doktorbäuerin: Amalie Hohenester

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Das Haus der Wunderdoktorin in Deisenhofen, Holzstich um 1870.

Die „Doktorbäuerin“ Amalie „Mali“ Hohenester wurde am 4. Oktober 1826 in Vaterstetten geboren. Sie war das jüngste von 12 Kindern einer Familie, die als Wilderer und Räuber im Isartal seit Generationen berüchtigt waren. Den Frauen der Familie, die sich auf Naturheilkunde verstanden, wurden übernatürliche Kräfte, wie „Wettermachen“ angedichtet. Amalies Mutter Philippina Nonnenmacher behandelte Kranke und war beim Landgericht Miesbach als Engelmacherin aktenkundig. Als Amalie ein Jahr alt war, zog die Familie nach Marschall bei Holzkirchen auf einen kleinen Bauernhof, den der Vater erworben hatte. Einige ihrer Brüder waren Mitglieder der sogenannten Haberl Bande, die als Wilderer das Oberland unsicher machten. Amalie selbst fiel den Behörden zuerst wegen Herumstreunens und Diebstahls auf. Mit 17 Jahren wurde sie wegen „liederlichem Lebenswandel“ zum ersten Mal verhaftet und mit der Auflage freigelassen, ihren Heimatbezirk zwei Jahre lang nicht zu verlassen. Da sie sich nicht daran hielt, wurde sie mehrmals verhaftet. Mit 23 Jahren ging Amalie als Dienstmädchen nach München. Häufige Stellungswechsel folgten. Im Mai 1856 wurde sie in Frankfurt aufgegriffen und nach München abgeschoben. Sie ging zurück nach Marschall und unterstützte ihre Mutter bei der Behandlung von Kranken. Diese weihte ihre Tochter in die Kräuterheilkunde ein. Wegen Pfuscherei wurde Amalie 1859 vom Landgericht Miesbach zu zwei Tagen Polizeiarrest verurteilt. Mit 34 Jahren heiratete Amalie 1861 den gleichaltrigen Rosshändler Benedikt Hohenester. Auf seinem Hof in Deisenhofen richtete sie eine Praxis ein, in der sie die Patienten mit selbsthergestellten Tinkturen, Tees und Salben behandelte. Ihre Diagnosen stellte sie mittels Harnschau. Da sie sich die Behandlung teuer bezahlen ließ, kam sie bald zu einigem Wohlstand. Arme Leute hingegen beriet sie kostenlos. Bald berichteten die Zeitungen über die Doktorbäuerin, die nun den Neid der Ärzteschaft auf sich zog. Es folgten Anklagen wegen Kurpfuscherei und Quacksalberei, die ihrem Erfolg aber keinen Abbruch taten. 1862 erwarb das Ehepaar Hohenester das Kurbad Mariabrunn. Von nun an verschrieb Amalie auch Bäder und Güsse. Ihre Behandlungserfolge waren so immens, dass selbst der Hochadel ihre Dienste in Anspruch nahm, darunter auch Kaiserin Elisabeth. Je erfolgreicher sie war, umso heftiger wurden die Angriffe ihrer Gegner. Doch Amalie Hohenester war klug genug, schwerstkranke Patienten nicht zu behandeln und sich mit den Behörden zu verständigen. Im Winter 1877 erkrankte sie plötzlich und starb am 24. März 1878 im Alter von nur 50 Jahren als schwerreiche Frau an Herzversagen. Vermutlich litt sie an Brustkrebs, den sie selbst zu behandeln versuchte. Sie liegt auf dem Friedhof St. Peter in Ampermoching begraben.

(Meingast, Fritz [1975]: Berühmte und Berüchtigte. Bayerische Porträts. Süddeutscher Verlag, München, S. 123-131)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl