Das Ende

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Umzug des Freikorps Werdenfels Anfang Mai 1919 (Bayerische Staatsbibliothek/Hoffmann)

Am 1. Mai 1919 standen die Truppen der Reichswehr vor München, um der Revolution ein Ende zu bereiten. Während Lenin auf dem Roten Platz in Moskau noch feierlich von der Bruderrepublik „Sowjetbayern“ sprach, begann in München der Straßenkampf. Systematisch wurden von den einfallenden Truppen ganze Häuserblocks beschossen. Die Revolutionäre wehrten sich verzweifelt, letztlich aber ohne Erfolg. Besonders stark war der Widerstand in den Arbeitervierteln Giesing, Haidhausen, Sendling und rund um den Schlachthof. Auch Hauptbahnhof, Löwengrube und Rathaus waren heiß umkämpft, wie Oskar Maria Graf, der Augenzeuge der Vorgänge war, berichtet:

Es krachte, dampfte und das Gemäuer staubte rieselnd auseinander, Fenster klirrten und Splitter flogen. Hartnäckig erwiderten die Befestigten das Feuer, allmählich ließ es nach, immer weniger und weniger Schüsse kamen aus dem Haus. Aus der Marsstraße rückte eine Abteilung Regierungssoldaten mit schussbereit gehaltenem Gewehr vor, erbrach die Tür. Kein Schuss kam mehr aus dem Innern. „Die sind alle tot“, sagte ein Mann unter uns.

(Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene. Ein Bekenntnis. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, S. 499)

Am Stachus entbrannte ein aussichtsloser Kampf um den Stachus-Kiosk, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen. Einen ganzen Tag lang gelang es den Revolutionären, hier die Angreifer in Schach zu halten. Doch es war kein Kampf zwischen zwei regulären Armeen. Die bayerische Rote Armee zeigte ebenso wie die revolutionären Roten Garden verheerende Auflösungserscheinungen. Es gab keine Taktik, keine Strategie, keine Führung, keine Befehle. Das Proletariat, das sich in den Straßenkampf stürzte, kämpfte ums nackte Überleben. Was so friedlich am 7. November 1918 begonnen hatte, ging in einem Meer von Gewalt unter. Oskar Maria Graf erinnert sich, wie die Regierungstruppen ohne Rücksicht auf Person und Geschlecht auf die Menschen schossen:

Eine alte Frau humpelte über die Straße. Vorne an der Ecke legte ein Regierungssoldat an. Es krachte, die Frau fiel und blieb nach einigen Zuckungen liegen. Ja - ja! Um Gottes willen! Um Gottes willen! schrie ein Mädchen händeringend. Nicht schießen! Nicht schießen! brüllten wir alle. Ein Knäblein hatte sich unbemerkt aus uns gewunden, lief mit flatterndem rotem Taschentuch auf die Leiche zu. Es knallte schon wieder. Gellend schrie der Bub, machte einige Purzelbäume und lag still.

(Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene. Ein Bekenntnis. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, S. 499f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl