Ret Marut

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B. Traven (Ret Marut) nach seiner Verhaftung in London 1923

Die Verantwortlichen der Räterepublik führten zu ihrem Schutz eine Pressezensur ein. Die Pressehäuser wurden sozialisiert, ihre Besitzer enteignet. Die bürgerliche Presse durfte zwar weiterhin erscheinen, allerdings nur nach Überprüfung durch die Zensurbehörden. Einer der Zensoren war der Schriftsteller Ret Marut, der von 1917 bis 1921 die anarchistische Zeitschrift Der Ziegelbrenner herausgab. Mitten in den Wirren des Ersten Weltkrieges hatte Marut, ohne sich um die herrschende Zensur zu kümmern, eine Anti-Kriegszeitung veröffentlicht. Während der Anarchistischen Räterepublik war Marut nun einer derjenigen, die für das Ende der bisherigen Presse kämpften: Jeder Ausgabe des Ziegelbrenners fügte er einen Aufruf zur Vernichtung der Presse bei:

Menschen! Ihr habt nur einen Feind. Er ist der verkommenste von allen. Tuberkulose und Syphilis sind furchtbare Seuchen, unter denen der Mensch leidet. Unermesslich furchtbarer, tückischer und bösartiger am Körper und an der Seele des Menschen wütet die alles verheerende Seuche: Öffentliche Hure Presse. Jede Revolution, jede Befreiung des Menschen verfehlt ihren Zweck, wenn nicht zuerst die Presse erbarmungslos vernichtet wird.

(Ret Marut: Der Ziegelbrenner, Heft 26/34, 30. April 1920)

Ret Marut war eine der vielen schillernden Gestalten, welche München in jener Zeit bevölkerten. Nach Ende der Räterepublik verschwand er spurlos. Bis heute wird er in Verbindung gebracht mit dem größten literarischen Rätsel des 20. Jahrhunderts. Jahre nach der Revolution glaubten Oskar Maria Graf und Egon Erwin Kisch in ihm den mysteriösen Schriftsteller B. Traven wiederzuerkennen, der mit Romanen wie Das Totenschiff oder Der Schatz der Sierra Madre Welterfolge feierte. Der in Mexiko lebende Traven, dessen Identität niemand kannte, galt jahrelang als Anwärter auf den Literaturnobelpreis und ist bis heute einer der meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache. Vergleichsanalysen der Werke B. Travens und Ret Maruts sowie Aussagen seiner Witwe und Freunde belegen zwar heute zweifelsfrei, dass Marut und Traven identisch waren, doch wer der Mensch hinter den Pseudonymen war, liegt weiterhin im Dunkeln.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl