Das weiße Gold

Roland Müller lässt seinen Protagonisten Kai, den „Jungen mit dem leeren Gedächtnis und den traurigen Augen“, das Geheimnis um seine Existenz lüften und den Aufschwung des Dorfes Munichen zur Handelsstadt miterleben.

Es gab nun Wirte und Wechsler, Küfer und Fassbinder, Hufschmiede und Viehhändler, Bäcker und Schlachter, die alle ihr Auskommen hatten, wenn die Händler auf dem Markt anlangten, um ihre Waren zu verkaufen. Alle Tore in der Stadtmauer waren den Tag über geöffnet und ließen Menschen und ihre Tiere passieren. Die Isar herunter rauschten beinahe jede Woche schwere Flöße, gesteuert von schweigsamen, braun gebrannten Holzknechten. Es gab entlang der Isar einen Holzmarkt, mindestens so groß wie der nicht eben kleine Salz- und Viehmarkt im Zentrum. [...]

Dort befindet sich das Handelshaus Winthir und Zierl, ein großes, mit prächtigen Bildern geschmücktes Gebäude, in dem die Salztransporte einkehrten.

In diesem Haus verbrachten die Händler und Fuhrknechte die Nächte, ließen die Zugtiere neu beschlagen und die Wagen richten. Wer wollte, konnte seine Waren so lange sicher und trocken lagern, bis ein Käufer kam, selbst wenn er von weit her anreisen musste. So konnte man hier Waren kaufen, ohne dafür auf den Markt gehen zu müssen. Die Auswahl war groß: Salz aus Hallein, Mehl und Getreide aus der Gegend um Passau, Leinen und Wolle aus Sachsen, Holzkohle aus dem Badischen und Wein aus Venetien und der Lombardei.

(Roland Müller: Das Erbe des Salzhändlers. Goldmann Verlag, München 2007, S. 401ff.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt