D. H. Lawrence in Oberbayern: Johannas Mutter

Nicht immer ist es allerdings so idyllisch. Die Liebe der beiden Liebenden kennt exzessive Leidenschaft genauso wie wilde Streitszenen. Manchmal bleibt Gilbert wie sein Alter Ego Lawrence nach einem Streit allein in Ommerbach zurück, während Johanna alias Frieda bei ihrer Schwester in Wolfratsberg übernachtet. Man kommt schließlich überein, die Auseinandersetzungen mit einer Wanderung nach Italien beizulegen. Anfang August 1912 ist es dann soweit. Doch davor muss noch eine weitere Schwierigkeit überwunden werden: der unerwartete Besuch von Johannas (Friedas) Mutter, der „Baronin“. In Mr. Noon kommt sie lange vor dem Entschluss, nach Italien zu gehen, in Ommerbach an; bei Lawrence hingegen steht dieser Plan bereits fest, bevor Friedas Mutter auf ihrem Weg nach Baden-Baden in Icking hereinschneit. Auf diese Weise gelingt es dem Erzähler, die Intensität der Spannungen zwischen Gilbert und Johanna zu erhöhen und auf ein Ziel hin zu konzentrieren. Gilbert erscheint nach dem Gespräch mit der Baronin als gedemütigter „Hund“ in den Augen Johannas, während beider Unstimmigkeit und anschließende Umarmung dazu führen, die „Neugeburt“ der Geschlechter zu betonen:

Sie [die Ehe] ist eine schreckliche Angleichung zweier furchtbarer Gegensätze, ihre Annäherung bis zur schließlichen Krise der Berührung, und dann das Aufflammen und die Explosion, wie wenn ein Blitz freigesetzt wird. Und dann erzittern die beiden, der Mann und die Frau, in einer Neuheit. Das ist die eigentliche Erschaffung: nicht das Akzidens der Kindgeburt, sondern das Wunder der Manngeburt und Fraugeburt. (Mr. Noon, S. 331f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik