Bierzelt (1980-2020)

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Festzelt, Foto: Christl Reiter (München Tourismus)

Im Jahr 2008 wurden auf dem Oktoberfest 6,5 Millionen Maß Bier ausgeschenkt, 104 Ochsen, 53.736 Schweinshaxn und 459.356 Brathendl verzehrt. Zwischen 1980 und 2009 stieg der Bierverbrauch von 384.000 auf 65.000 Hektoliter.

Das sind unvorstellbar riesige Zelte, in denen es vor Menschendampf wie in einem Stall riecht. Eine Gruppe von Musikern spielte auf sehr dicken Trompeten auf einem Podium in der Mitte äußerst kräftig Musik, die mit der des Meisters We-to-feng nicht das geringste zu tun hat. Die meisten Leute sind grün gekleidet und tragen stark lächerliche Hüte. Unvorstellbar dicke Dienerinnen, die – wie mir Herr Shi-shmi sagte – eigens darin ausgebildet sind, zehn, zwölf und noch mehr Ma'ßa-Krüge gleichzeitig zu schleppen, stampfen von Tisch zu Tisch und verteilen die Krüge. Man muß unverzüglich bezahlen. Die Großnasen, oft mit merkwürdigen Insignien geschmückt, mit Papierblumen bekränzt oder mit Haarbüscheln am Hut, schlagen sich auf die Schenkel und schreien ohne ersichtlichen Grund.

Sie öffnen den Mund weit und schütten das Ma'ßa-Getränk, kaum daß ihnen die Dienerin den Krug gebracht hat, in den Schlund. In regelmäßigen Abständen spielt die ohnedies alles übertönende Musik noch lauter ein sehr kurzes, offenbar äußerst beliebtes Lied, dessen Sinn mir nicht ganz klar war. Es lautet: Wan-tswa-xu-fa..., worauf auf einer gewaltigen Trommel drei mächtige Schläge erdröhnen. Das ist das Zeichen, daß jeder seinen Ma'ßa-Krug ergreift und soviel in sich hineingießt, wie ihm möglich ist. Danach entlädt sich ein Brüllen, und alle schreien nach den Dienerinnen, damit neues Ma'ßa gebracht wird. In riesigen Fässern wird es von draußen herangerollt, und dämonische Berserker in Lederschürzen mit Händen wie Schaufeln stechen die Fässer an bestimmten Stellen an, aus denen sich dann die Flüssigkeit in die Krüge ergießt.

Herbert Rosendorfer: Briefe in die chinesische Vergangenheit. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1983, S. 136

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek