Dünaberg

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Gastlokal Fürst Alm auf dem Dünaberg. © Privatsammlung

In Murnau gab es ein Lokalblatt, für das Ödön von Horváth nie als Autor tätig wurde, in dem er aber regelmäßig las, weil es ihm Informationen über Ortsgeschehen, kuriose Begebenheiten und Anregungen für seine Romane und Theaterstücke lieferte, und an das er auch einmal einen Leserbrief richtete, den er offensichtlich nie abschickte: den Staffelsee-Boten. Der Gründer und Herausgeber dieser Zeitung, Josef Fürst (1863-1940), war Horváth bestens bekannt. Fürst bestimmte in mehrfacher Hinsicht das öffentliche Leben: Er war Gründer des Gebirgstrachten-Erhaltungsvereins, Initiator des Turnhallen- und Strandbadbaues und jahrzehntelanger Vorstand des Turnvereins. In der Prosaskizze Die Fürst Alm beschreibt Horváth ihn mit folgenden Worten:

Der Vater Fürst war in seiner Jugend einer der Einführer der Lederhosen gegen das Geschrei der Klerikalen wegen der unsittlichen Tracht. Der Kampf um die Lederhose.

Heute ist er ein alter Herr mit einem Bart, der natürlich wirkt und ist auch tatsächlich mit Andreas Hofer verwandt.[1]

1888 kam der 25-jährige Fürst von Miesbach nach Murnau, wo er im selben Jahr den Verlag Staffelsee-Bote gründete. 1927 zog er sich aus dem aktiven politischen Leben auf den Dünaberg am Ortsrand Murnaus zurück und eröffnete dort ein Aussichtscafé, die „Fürst-Alm“.

Horváth besuchte regelmäßig diese Gartenwirtschaft. Selbst in Berlin sehnt er sich danach, mit seiner Freundin Lotte Fahr auf dem „schönste[n] Punkt am nördlichen Rande der bayerischen Alpen“ Schach spielen zu können. Der Dünaberg steht dabei im unmittelbaren Kontext zu einem anderen kurzen Text Horváths, Ein sonderbares Schützenfest, in dem er auf das jährlich stattfindende Graf-Arco-Schießen Bezug nimmt:

Der Dünaberg bei Murnau gehört zu jenem Ausläufer westlich des Höhenzuges, bis zu dem sich um das Jahr 1600 die bayerischen Truppen von den Tirolern zurückgezogen haben und hier rettete sie die französische Verstärkung aus München. Hier wird auch noch jährlich in Erinnerung an diesen Tag ein Graf-Arco-Preisschießen von einer Kgl. priv. Schützengesellschaft veranstaltet, als Erinnerung an die Errettung Murnaus von der Plünderung durch die Tiroler.[2]

Darüber hinaus stand ihm die Wirtschaft mit Gartenbetrieb offenbar Modell für das „Gartenlokal des Josef Lehninger“ in dem Volksstück Italienische Nacht und für das Aussichtscafé in einer der Prosaskizzen Aus den weißblauen Kalkalpen.[3]



[1] Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 11, S. 133.

[2] Ebda.

[3] Tworek-Müller, Elisabeth (1989): Provinz ist überall, S. 48.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik