Kriegssonntag. Ein feiner Dunst liegt über den Dächern und Türmen der Münchnerstadt. Langsam steigt die Sonne hinterm Gasteiger Kirchlein herauf und macht die Nebelschleier dünner und dünner. (Unsere Bayern anno 14, S. 31)

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Lena Christ, um 1911 (Archiv Monacensia)

Kurz vor Weihnachten 1914 erschien der Band Unsere Bayern anno 14 und entwickelte sich  zu einem großen Verkaufserfolg. Schnell gab es eine zweite und eine dritte Auflage. Im nächsten und übernächsten Jahr folgten Fortsetzungsbände, auf die mit allgemeinem Staunen reagiert wurde, besonders weil sie aus der Feder einer Frau stammten. „Sie könnten nicht männlicher sein, wären sie von einem Manne geschrieben“, lautete das bewundernde Fazit in der Presse. Die Kritiken waren hervorragend: „Lena Christ hat fürwahr männliche Fäuste. Ihre Bayernskizzen verblüffen durch straffe Disziplin“, lobte der Rezensent des Berliner Börsen-Couriers am 17. Oktober 1915 und fuhr fort: „Am unmittelbarsten wirken jene Bilder, die sie selber sah. In Stadt und Land. Auf Straßen, Märkten und in Lazaretten. Man sieht den Krieg als Reflex in Spießerköpfen, Bauerngehirnen. Drei Sätze – und ein Mensch steht da. Zwanzig Zeilen – und ein Schicksal ist vollendet.“

Sie werde einmal so berühmt sein, dass ein König sie zu Tisch bitte, hatte die Wahrsagerin Lena Christ vorhergesagt. Das muss selbst einer Frau, die so empfänglich für Prophezeiungen war, unwahrscheinlich vorgekommen sein. Wie sollte der König auf sie aufmerksam werden?

Nun war sie durch ihr Buch Unsere Bayern anno 14 endlich als Schriftstellerin in aller Munde – sogar über die Grenzen Bayerns hinaus, und so erhielt der Albert Langen Verlag eines Tages einen Brief aus der Hofkanzlei mit einer Einladung für die Autorin, ins Palais Wittelsbach zu kommen. Lena Christ wurde von König Ludwig III. freundlich empfangen und aufgefordert, frei und unbefangen zu reden, was sie verständlicherweise zuerst nicht tat. Doch es dauerte nicht lange, bis sie ihre Schüchternheit verlor und tatsächlich frei draufloserzählte – zum allergrößten Vergnügen des Königspaars, das sie zu Tisch lud, um ihren Geschichten zu lauschen. Im Januar 1916 wurde ihr „in ehrender und dankbarer Anerkennung für ihr besonderes Engagement während des Krieges“ das König-Ludwigs-Kreuz verliehen.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt