Charles de Montesquieu über München II

Nymphenburg ist ein Jagdschloss, eine Stunde von München entfernt. Es ist ein bemerkenswert schönes Schloss, vom verstorbenen  Kurfürsten im französischen Geschmack erbaut. Ringsum befinden sich die sehr ausgedehnten Jagdgebiete des Kurfürsten. Man ist dabei, einen Kanal zu bauen, der von Nymphenburg nach München führen wird, und man hat zu beiden Seiten Baumreihen gepflanzt. Es sollen auch zu beiden Seiten Landhäuser vorgesehen sein, die der Adel bauen wird ... Am 6. (Juli), dem Namenstag des Kurfürsten, wurde ich diesem und der Kurfürstin in Nymphenburg vorgestellt. Der Kurfürst ist ein gutgewachsener Herrscher. An diesem Tag war der ganze bayerische Hof versammelt, jedermann war von seinen Ländereien gekommen, um ihm seine Aufwartung zu machen. Insgesamt mögen es gut achtzig Personen beiderlei Geschlechts gewesen sein. Zum Essen wurde ein kleines Schäferspiel aufgeführt; am Abend eine Oper: schlecht das eine wie die andere. Es gab dabei weder eine gute Musik noch eine einzige auch nur mittelmäßige Stimme. Am Abend wurde ein schönes Feuerwerk über Kanal abgebrannt, gut ausgedacht und gut ausgeführt und sehr kunstfertig. Das Essen war recht kümmerlich.

Charles de Montesquieu, 1729 (Zit. aus: Charles de Montesquieu: Voyages de Montesquieu publies par le Baron Albert de Montesquieu. Bd. 2. Bordeaux 1896. S. 140-148. In: Hans-Rüdiger Schwab (Hg.): München. Dichter sehen eine Stadt. Stuttgart 1990, S. 20-22)

 

Charles de Montesquieu (1689-1755), französischer Schriftsteller und Staatstheoretiker; Aufenthalt in München: 1729

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek