Gottfried Keller über München

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Innenhof am Rindermarkt, 1836 (Münchner Stadtmuseum)

Nun stand aber zwischen Kufstein und Rosenheim der Zug fast eine Stunde still, so dass ich erst nach elf Uhr in München ankam. Im Hotel Detzer mit einem anderen Reisenden eintretend, wurden wir treppauf in unsere Zimmer geführt, vier, fünf, sechs Treppen, so dass ich kaum mehr schnaufen konnte; endlich wurde der Gefährte in ein Kämmerchen gestoßen, ich aber, eine Treppe höher kommandiert, musste dort unter dem Dach durchkriechen und nun gings eine Hintertreppe wieder hinunter, fünf, sechs, sieben Treppen bis auf den ersten Stock, wo ich ein schönes, großes, wohlausgestattetes Zimmer erhielt und atemlos in ein Fauteuil sank. Ich erhielt nun die Aufklärung, dass man mir vor dem anderen Fremden nicht diesen Vorzug habe einräumen dürfen, mich aber noch wohl gekannt und wegen meiner Artigkeit und guten Sitten noch günstig im Gedächtnis bewahrt habe.

Gottfried Keller, Brief an die Mutter, 1840 (Zit. n. Wilhelm Zentner (Hg.): Gastfreundliches München. Das Antlitz einer Stadt im Spiegel ihrer Gäste. München 1947, S. 163f.)

 

Gottfried Keller (1819-1890), schweizerischer Dichter und Politiker; Aufenthalt in München: 1840 bis 1842 und 1874

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek