Anti-Tissot (Victor Tissot) über München

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Münchner Pferdetrambahn zwischen 1876 und 1900 (Monacensia München)

Das Karlstor sieht aus, wie wenn es von einer Papiermaché-Fabrik aus Nürnberg gekommen wäre. Im Tal und in der Sendlingergasse stützt ein Haus das andere, um nicht auf die Vorübergehenden zu fallen. In diesen Straßen glaubt man sich in einem Bauernstädtchen. Die Stadt teilt sich in eine alte und eine neue. Die alte Stadt trägt deutschen und gotischen Charakter, die neue Stadt besteht aus Stein-Phantasien und gleicht einem Museum archäologischer Kopien.

Anti-Tissot, München und die Münchener, 1876 (Zit. aus: Anti-Tissot: München und die Münchener. Eine Beleuchtung der bayerischen, insbesondere Münchener Zustände. München 1876, S. 5f.)

 

München ist zu groß für seine Einwohnerzahl. Seine wei­ten Plätze und geräumigen Straßen sind die meiste Zeit verlassen. München ist langweilig wie eine deutsche Übersetzung von Telemach. Wenn man an den vielen Statuen vorübergeht, möchte man sie fast bitten herab­zusteigen, um die Szenerie zu beleben. Die Fuhrwerke haben eine solche Langsamkeit, dass man sich fragt, ob sie die schlafende Stadt aufzuwecken fürchten. Man kann sich nichts Elenderes und Unreinlicheres vorstellen als einen Stadtomnibus. – Eine Equipage ist in München ein Ereignis und fährt eine solche durch die Straßen, so hört man alle Fenster öffnen. – Bräuwägen dagegen ver­kehren fast ohne Unterbrechung.

Anti-Tissot, München und die Münchener, 1876 (Zit. aus: Anti-Tissot: München und die Münchener. Eine Beleuchtung der bayerischen, insbesondere Münchener Zustände. München 1876, S. 5f.)

 

Anti-Tissot, eigentlich Victor Tissot (1845-1917), Schweizer Schriftsteller; Aufenthalt in München: um 1878

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek