Letzter Ausweg Exil

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Therese Giehse im französischen Exil Lavandou, ca. 1933. Foto: Annemarie Schwarzenbach

Als Erika und Klaus Mann nach ihrer Klausur in Lenzerheide am 10. März in München eintrafen, wehten auf allen öffentlichen Gebäuden die Hakenkreuzfahnen. Genau einen Tag vorher war Franz Xaver Ritter von Epp als Reichsstatthalter in Bayern eingesetzt worden. Am Bahnhof erwartete sie der Chauffeur der Familie Mann, dessen Verhalten ihnen seltsam vorkam. Er riet ihnen, sich nicht länger in München aufzuhalten, da das Haus überwacht würde. Später stellte sich später heraus, dass er längst Parteimitglied und Spitzel bei den Manns gewesen war. 

Auf ihrem Weg durch die Stadt vom Bahnhof zur Poschingerstraße realisierten sie, dass Leute auf der Straße verhaftet wurden. Erika Mann erkannte sofort, dass das Ende der Pfeffermühle in Deutschland unwiderruflich gekommen war. Einer ihrer ersten Wege führte sie zum Besitzer des „Serenissimus“, um den Vertrag zu kündigen. Dieser gab sich verständnislos und bestand auf Einhaltung der Vereinbarung. Erikas Erklärungen, dass sie ein Widerstands-Unternehmen seien und die Gefahr bestünde, dass die Mitglieder verhaftet würden, ließen ihn kalt. Er gab zu, längst Parteimitglied zu sein und drohte, sie bei Nichteinhaltung wegen Vertragsbruchs zu belangen. Erika ließ sich ihre Verblüffung jedoch nicht anmerken, sondern reagierte schlagfertig mit der Antwort, dann könne sie ja beruhigt sein. Umgehend informierte sie die Pfeffermühlenmitglieder, dass sie ihre Arbeit in München einstellen und an einem anderen Ort außerhalb Deutschlands fortsetzen müssten.

Erika und Klaus verließen Deutschland am 13. März 1933: Erika mit dem Auto Richtung Arosa, Klaus mit dem Nachtzug Richtung Paris. Auch bei Therese Giehse ging jetzt alles sehr schnell: Im Konversationszimmer der Kammerspiele, das dem zwanglosen Beisammensein der Theaterleute diente, machte sie sich über den unliebsamen Verehrer lustig, der ihr nicht nur lästig, sondern verhasst war: Sie nannte Hitler einen „spinnerten Uhu“ und erzählte darüber hinaus auch noch den makabren Witz über ein Vater-Sohn-Gespräch: Die beiden sitzen beim Essen und da fragt der Sohn: „Vater, wer hat denn den Reichstag angezündet?“ Dieser antwortet: „Ess, ess, mein Junge!“

Damit war es endgültig vorbei mit der Gunst des Reichkanzlers, der die Kammerspiele als sein Lieblingstheater, die Giehse als seine Lieblingsschauspielerin verehrt und ihr Saalschutz vor antisemitischen Übergriffen angeboten hatte. Sie wurde denunziert, gleichzeitig gewarnt, erkannte den Ernst ihrer Lage und machte sich am 13. März 1933, eine Woche nach ihrem 35. Geburtstag auf den Weg in die Schweiz. Sie floh mitten aus einer Probe heraus, unterstützt von Magnus Henning, ohne sich von ihren Kollegen zu verabschieden, und hatte nur Handgepäck bei sich. Der Weg führte sie über Lermoos in Tirol nach Arosa, wie ihrem Tagebuch zu entnehmen ist. Darin gibt es in der 11. Woche des Jahres 1933 nur zwei Eintragungen: Dienstag, 14. März Lermoos, Mittwoch, 15. März Arosa.

Was es für sie bedeutete, diese Stadt verlassen zu müssen, brachte Erika in ihrem Brief zum 70. Geburtstag der Freundin auf den Punkt: „Sie ist Münchnerin, die Giehse, und könnte hieniden nichts anderes sein. Urchiger – bei aller klugen Differenziertheit – geht's nimmer. Nicht zufällig hat Scheusal Adolf sie verehrt: heißen Blutes wurzelte sie am Boden und ihre Rasse war vom reinsten. Soviel merkte das Untier. Sonst nichts – und dann war sie weg.“ Es sollte sechzehn Jahre dauern, bis sie nach München zurückkehrte.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Gunna Wendt