Missverständnis Ehe

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Gustav Gründgens (BSB/Fotoarchiv Habermann)

Anfangs war es vor allem Klaus Mann, der von dem begabten Schauspieler Gustaf Gründgens tief beeindruckt war. Er charakterisiert ihn als „charmant, einfallsreich, hinreißend, gefallsüchtig, glitzernd und sprühend vor Talent“. Gustaf Gründgens wurde 1899 in Düsseldorf geboren. Sein Vater stammte zwar aus einer alteingesessenen Industriellenfamilie, doch mittlerweile lebte die Familie in bescheidenen Verhältnissen. Gustaf Gründgens fühlte sich als geborener Schauspieler. Er brach das Gymnasium und die  anschließende kaufmännische Lehre ab. Als er 1917, im letzten Kriegsjahr, zu einer Maschinengewehrkompanie eingezogen wurde, gab er vor, über Theatererfahrung zu verfügen. Daraufhin wurde er zum Fronttheater Saarlouis abkommandiert. Ab 1920 nahm er Schauspielunterricht in Düsseldorf und war in den kommenden Jahren in Halberstadt, Kiel Berlin, Eckernförde und Hamburg engagiert. Dort lernte er Erika und Klaus Mann kennen und war von den beiden verwöhnten Kindern des berühmten Dichters fasziniert. Er bewunderte ihre Weltoffenheit, ihre Blasiertheit und ihre Lässigkeit. So wie sie würde er sich gern in der Kulturszene bewegen.

Ein halbes Jahr nach dem Misserfolg von Anja und Esther folgte im Frühling 1926 die nächste spektakuläre Meldung: Erika Mann und Gustaf Gründgens, die einander weniger als ein Jahr kannten, gaben bekannt, dass sie heiraten wollen. Erika vertraute Pamela Wedekind an, dass sie das Ganze als Spiel auffasste und überredete die Freundin, vor der Hochzeit gemeinsam zu verreisen. Erika erhoffte sich einen Karriereschub durch die Verbindung mit dem ehrgeizigen Theatermann, der immer mehr Erfolge zu verbuchen hatte und als Star der Hamburger Kammerspiele galt. Dieser hoffte seinerseits, von der Verbindung mit der Tochter des berühmten Schriftstellers als Künstler zu profitieren. 

Die Hochzeit fand am 26. Juli 1926 in München statt. Gefeiert wurde im Hotel Kaiserin Elisabeth in Feldafing am Starnberger See. Die Brauteltern machten gute Miene zum bizarren Spiel. Thomas Mann, der zusammen mit seinem Schwager Klaus Pringsheim Trauzeuge war, sprach in seiner „fein-rührenden“ Rede den Bräutigam als „unbeschriebenes Blatt“ an und erwähnte ausdrücklich Klaus' Tischdame, die abwesende Pamela. Diese hatte es vorgezogen, nicht zu erscheinen, daher fand die Hochzeit ohne Erikas „Prinz Wunderhold“ statt. Thomas Mann wusste genauso gut wie seine Frau und der Bräutigam, wem Erikas Herz wirklich gehörte. Aus Friedrichshafen, dem Ziel ihrer Hochzeitsreise, berichtete sie der Freundin in einem Brief von ihrer Eheschließung: „Ja, Pamela, es war schon ein großer Schreck!“ Der Tag habe erwartungsgemäß mit einem Fauxpas begonnen, in dem Bräutigam und Braut den „Tatort“ im Münchner Standesamt von der jeweils falschen Seite betraten – Gründgens von rechts, sie von links, so dass der Standesbeamte sie anherrschte und korrigierte. Hatte er Erika anfangs mit „Fräulein Mann“ angesprochen, verwendete er, als er sie zur Unterschrift bat, die Anrede „Frau Gründgens“.

Das junge Ehepaar Gründgens nahm sich eine gemeinsame Wohnung in der Oberstraße 125 in Hamburg. Das Zusammenleben gestaltete sich von Anfang an konfliktreich. Gründgens bemängelte die Verschwendungssucht seiner Frau. Dass die Rolle der Hausfrau nicht die ihre sein würde, hätte er wissen müssen. Erika ließ sich nicht in die vier Wände eines trauten Heimes verbannen. Auch sah sie es nicht als ihre Aufgabe an, ihrem Mann bei seiner Karriere den Rücken zu stärken, wie sie es von ihrer Mutter kannte. Sie wollte selbst Karriere machen. Die Leidenschaft fürs Theater war das einzige Bindeglied ihrer Ehe: Erika spielte unter der Regie ihres Mannes die Lavinia in George Bernard Shaws Androlus und der Löwe, die Polyhymnia in Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt  und wurde mit glänzenden Kritiken bedacht.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Gunna Wendt