Rückkehr nach Ambach: Der Student Regnier

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Gasthaus Zum Fischmeister, Holzschnitt 1883 (Bayerische Staatsbibliothek/Porträtsammlung)

Regniers Eltern sind sehr respektiert im Ort. Pamela pflegt eine langjährige Freundschaft mit Graf Pocci in Ammerland und Waldemar Bonsels, einem früheren glühenden Verehrer von Frank Wedekind. In dessen Villa macht der junge Musikstudent eine wichtige Begegnung:

Seit ich in London Musik studiere, komme ich nur in den Ferien nach Ambach. [...] Nachts streune ich durch Ambach. Wie ein riesiges Schiff liegt der „Brosi-Hof“ im Mondlicht, die Wiesen glänzen silbrig, der Ostwind rauscht durch Äste und Blattwerk, es duftet nach Sommer und Freiheit. Auf einmal höre ich fantastisches Klavierspiel, perlende Läufe, Triller, Arpeggien – das muss der Pianist sein, denke ich, der neuerdings bei Frau Bonsels wohnt. Ich schleiche mich an [...], erklettere einen Mauerabsatz, ziehe mich hoch, schaue durch das beleuchtete Atelierfenster, sehe einen Kopf mit schütterem schwarzem Haar und eine Partitur mit vielen Noten. Das Spiel bricht ab, ich mache mich davon. Bei Tageslicht sehe ich den Pianisten auf dem Dampfersteg.

(Anatol Regnier: Wir Nachgeborenen. Kinder berühmter Eltern. München 2014, S. 103.)

Es ist der australische Pianist Bruce Hungerford, mit dem Regnier Freundschaft schließt. Hungerford ist ihm ein großes Vorbild. Dann zerwirft sich dieser allerdings mit seiner Vermieterin Rose-Marie Bonsels und geht nach Amerika, wo er als Pianist reüssieren kann.

Er hat in der Carnegie Hall gespielt, wie man hört mit großem Erfolg. Aber in Ambach fehlt etwas. Bonsels Atelierfenster bleibt dunkel, Triller und Arpeggien schweben nicht mehr über die Wiese, die Grillen zirpen alleine weiter.

(Ebda., S. 107.)

Fühlt sich Regnier auch sichtlich wohl in der Gemeinde am See, so hat er zu dem Bierbichler-Kreis nie ein innigeres Verhältnis entwickeln können – die Gründe dafür mögen vor allem in seinem weniger subversiven Kunstverständnis liegen:

Ich hätte mich weder die provozierenden Filme getraut, noch das Eindringen in ein Haus, in dem ich nicht willkommen war. Auch hielt sich mein Hass auf die Obrigkeit, namentlich auf die CSU, in Grenzen. Mir fehlte ganz einfach das revolutionäre Feuer. Gelegentlich saß ich beim „Fischmeister“ im Kreis der Diskutanten, aber als Fremdkörper mit entsprechendem Unwohlsein. [...] Annamirl Bierbichler und ich mochten uns seit der Jugend. Eine Liebschaft wäre möglich gewesen. Aber ich war verheiratet, und sie hatte den Achternbusch.

(Ebda., S. 204.)

 

Quelle:

Anatol Regnier: Wir Nachgeborenen. Kinder berühmter Eltern. München 2014.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Nastasja S. Dresler