Leipzig

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Auerbachs Hof in Leipzig um 1780. Altkolorierter Kupferstich (Guckkastenblatt – deshalb seitenverkehrt).

Jean Paul und Leipzig

Ein Gemisch aus Staunen und Skepsis befällt den gerade 18-jährigen Jean Paul, als er Mitte Mai 1781 in Leipzig eintrifft, um Theologie zu studieren. Eine Stadt von knapp 30.000 Einwohnen hat er zuvor noch nie gesehen, von der Prosperität der Messemetropole ganz zu schweigen. Er selbst trägt ein »Testimonium paupertatis«, ein Armutszeugnis bei sich, das den Erlass der Kolleggelder bewirken und ihm das Studium der Theologie ermöglichen soll (ein anderes Fach zu studieren ist einem mittellosen Landkind wie ihm nicht gestattet). Er wohnt während dieser Jahre im Gasthof Zu den drei Rosen.

Allzu lange kann er den Schein des Studenten nicht wahren, und so verkündet er bald, dass er freier Schriftsteller werden wolle. Tatsächlich bemüht er sich sehr darum: Er schreibt und schreibt, vor allem Satiren, und sendet die Manuskripte an verschiedene Verleger. Voß aus Berlin sagt zu und druckt die Sammlung GRÖNLÄNDISCHE PROZESSE - jedoch wird das Buch kein kommerzieller Erfolg. Finanziell ist der junge Richter also weiterhin von seiner Mutter, die selbst kaum etwas entbehren kann, von Gönnern oder eben von Gläubigern abhängig. Er lebt auf Pump und flieht schließlich, weil er seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, im November 1784 verkleidet und inkognito zurück nach Hof.

Erst 13 Jahre später, im November 1797, zieht er erneut nach Leipzig, diesmal wohnt er in »Hohmanns Hof«, bei dem Kaufmann Johann Gottfried Pfarr. Es hat sich viel verändert in seinem Leben: Jean Paul ist nun ein bekannter Schriftsteller, wird fast täglich hier oder dort eingeladen; man umschwärmt ihn vor allem wegen seines Romans HESPERUS. Er arbeitet an PALINGENESIEN und verlobt sich im Januar 1798 mit Emilie von Berlepsch. Allerdings ist diese Verbindung nicht von Dauer: Im Oktober des Jahres verlässt Jean Paul »platt getretene Leipziger Gegend« gen Weimar – als Junggeselle.

Gasthof Zu den drei Rosen

Im Mai 1781 verlässt Friedrich Richter Hof in Richtung Leipzig; mit ihm in der Kutsche sitzen Adam Lorenz von Oerthel, der ebenfalls dort studieren wird, und der Hofer Rektor Kirsch, der Richter das »testimonium paupertatis«, das »Armutszeugnis«, ausgestellt hat, dass dem Studenten den kostenlosen Besuch der Vorlesungen ermöglicht.

Die Freunde Richter und von Oerthel mieten sich zwei nebeneinanderliegende Kammern im Gasthof Zu den drei Rosen in der Petersstraße Nummer 6 zu 16 Talern Miete pro Jahr. An den Rektor der Schwarzenbacher Schule, Karl August Werner, schreibt er sogleich einen Brief: »Ich bin gesund in Leipzig angelangt. Die Stadt ist schön, wenn man eine Stadt schön nennet, die grosse Häuser und lange Gassen hat - für mich ist sie noch einförmig. Und die herrliche Gegend - die Sie mir versprachen - die find’ ich um Leipzig herum nicht. Überall ein ewiges Einerlei - keine Täler und Hügel - völlig entblößt von dem Reize, der mir die Gegend, wo Sie noch wohnen, sonst so angenehm machte.«

Die Stadt selbst jedoch verdreht dem Studenten regelrecht den Kopf. Die Jean-Paul-Biografin Beatrix Langner spricht von einem »überhitzten literarischen Klima«, das in den 1780er Jahren in der Buchmessestadt Leipzig herrscht, und zwar direkt vor der Haustür des Gasthofs Zu den drei Rosen. Das Petersviertel ist das Viertel der intellektuellen Geringverdiener, der Lohnschreiber, aber auch der Buchhändler. Dass Richter hier den Entschluss fasst, lieber freier Schriftsteller statt Pfarrer zu werden, verwundert mithin wenig. Und so studiert er immer öfter in seinen eigenen vier Wänden als in der Universität – auch dank der Buchsendungen des Pfarrers Vogel, der ihm bei der Abreise aus Hof eine große Zukunft vorausgesagt hat.

Modisch brechen in Leipzig ebenfalls neue Zeiten an. Richter trägt das Hemd nun offen, den Hals frei und zeitweise sogar einen Vollbart: studentische Bohème, die tatsächlich für Empörung sorgt.

Der Gasthof Zu den drei Rosen existiert nicht mehr. An der Stelle des Hauses, mittlerweile Petersstraße 33, befindet sich heute ein großes Kaufhaus.

Hohmanns Hof

Ende Juli 1797 stirbt Friedrich Richters Mutter, drei Monate später übersiedelt der Schriftsteller nach Leipzig, wo er die kommenden zwölf Monate leben wird, bevor er nach Weimar weiterzieht. Der letzte Brief aus Hof klingt sehr melancholisch, der erste aus Leipzig dagegen frohgemut. Das Leipziger Logis beim Kunsthändler Johann Gottfried Pfarr in der Petersstraße 32 »mit seinen hohen Stuben, hohen Fenstern, herrlichem Ofen (ich brauche 2/3 weniger Holz) und mit seinem neuen Ammeublement (die Kommode ist besser als alles, was ich hineinlege)« behagt dem Dichter. Pfarrs Wohnhaus nennt man auch »Hohmanns Hof« oder »Hohentalsches Haus«, nach dem Kaufmann und Bankier Peter Hohmann, Edler von Hohenthal, der Anfang des 18. Jahrhunderts drei solche Häuser im barocken Stil in Leipzig errichten lässt. Dass »im Hohenthalschen Hause auf dem Markt (meines ist in der Peterstrasse) ein Friedr. Richter 3. Treppe hoch« wohnt, erheitert den Dichter: mit Dopplungen kennt er sich schließlich aus.

Die Begegnung mit einem Mitbewohner dagegen verstört ihn: „Noch um 8 Uhr kam zu mir ein Mensch ohne Hut mit straubigem Haar, aphoristischer Stimme und Rede, frei und sonderbar [...] und machte den beschwerlichen Sonderling, weil er mich für einen hielt.« Das ist Paul Emil Thieriot, »Violinist und Philolog«, gerade 17 Jahre alt, aber mit großen Plänen. Die Freundschaft der beiden hält ein Leben lang. Nur zwei Häuser weiter wohnt zudem der Schriftsteller Christian Felix Weiße, an dessen Mittagstisch Jean Paul fortan oft zu Gast ist.

Der zweite Leipziger Aufenthalt gestaltet sich freilich ganz anders als der erste, als Jean Paul noch im Gasthof Zu den drei Rosen wohnte und davon träumte, ein berühmter Schriftsteller zu werden. Mittlerweile kennt man ihn als Autor der UNSICHTBAREN LOGE und des HESPERUS. »Wie dem Adam die Thiere wurden mir Leute präsentiert, aber blos weil ich einen Namen hatte«, schreibt er an Christian Otto über die ersten Begegnungen in Leipzig.

Hohmanns Hof existiert nicht mehr. An der Stelle des Hauses, mittlerweile Petersstraße 15, wurde der Leipziger Messehof errichtet.

Brief an die Mutter, 1. Dezember 1781:

Brief an den Verleger Christian F. Voß, Dezember 1782:

Brief an den Gönner Philipp Erasmus Reich, 22. Mai 1784:

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik & Katrin Schuster