Kein herzliches Willkommen

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Schweizer Grenzkontrolle in den Alpen während des Zweiten Krieges

Die Schweiz wird nicht nur aufgrund ihrer geographischen und sprachlichen Nähe zu Deutschland ein beliebter Exilstaat, sondern auch weil die Exilanten auf die traditionelle Neutralität des Landes hoffen. Tatsächlich aber sind die Emigranten in der Schweiz keineswegs so willkommen: „Zu diesem Land hier wage ich Ihnen nicht, Mut zu machen. Es ist vielleicht das `autarkischte´, auf sich und die Seinen am meisten bedachte, den Ausländern abholdeste von allen“, schreibt Thomas Mann 1934 an Rudolf Kayser (Sprecher, Thomas [1992]: Thomas Mann in Zürich. Verlag Neue Züricher Zeitung, Zürich, S. 80). Zahlreiche Gesetze erschweren es den Flüchtlingen hier Fuß zu fassen. Neben Arbeitsverboten, die in erster Linie dem Nationalismus und der Bevorzugung der eigenen Bevölkerung geschuldet sind, besteht auch ein Verbot jeglicher politischen Betätigung, um eine Konfrontation mit dem Deutschen Reich zu verhindern. Nur wenigen wird politisches Asyl gewährt, jüdischen Flüchtlingen bleibt es fast immer verwehrt, da Verfolgung aus ethnischen Gründen bis 1944 nicht als Asylgrund anerkannt ist.

Nach dem Anschluss Österreichs steigt die Zahl der Flüchtlinge so sehr, dass man über eine allgemeine Visumspflicht nachdenkt, die man mit Rücksicht auf den Tourismus jedoch verwirft. Als 1942 die Flüchtlingswelle angesichts der einsetzenden Deportationen aus Westeuropa noch einmal in die Höhe schnellt, schließt die Schweiz ihre Grenzen. Juden aus Österreich und Deutschland ist ab 1938 der legale Grenzübertritt ohnehin nicht mehr möglich. All dieser Probleme zum Trotz emigrieren viele Schriftsteller nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in die Schweiz. Glücklich werden sie nicht, wie der Österreicher Robert Musil kurz vor seinem Tod an Kurt Pinthus schreibt: „So einsam wie in der Schweiz kann man nicht bald irgendwo sein. [...] Täglich zu erfahren, dass dem Landesgeiste alles, was nicht schweizerisch ist, recht eigentlich überflüssig vorkommt, deckt auf die Dauer alle Unternehmungslust mit nasser Asche zu, die spirituelle wie die materielle und schließlich muss man das abschütteln.“ (Robert Musil an Kurt Pinthus 30. Oktober 1941. In: Robert Musil: Briefe 1901-1942. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 1358)

(Wende, Frank [2002]: Deutschsprachige Schriftsteller im Schweizer Exil 1933-1950. Eine Ausstellung des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 der Deutschen Bibliothek. Harrassowitz, Wiesbaden)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl