Rakete zum Mond

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Hermann Oberth (verdeckt, ganz vorne [klicken, um zu vergrößern]) mit Funktionären der Army Ballistic Missile Agency in Huntsville, Alabama, 1956.

Geboren 1894 in Hermannstadt (Siebenbürgen) war Hermann Oberth laut seiner Tochter Erna Roth-Oberth und der Wissenschaftspublizistin Tanja Jelnina, die ihm den Aufsatz „Hermann Oberth: Eine Brücke zwischen den Zeiten“ (in: Flessner: Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien) gewidmet haben, „Naturforscher, Philosoph und Visionär“. Als Kind habe er sich bereits für Technik interessiert und auf dem heimischen Bahnhof in Schäßburg die ankommenden und abfahrenden Züge beobachtet: Die Reiseziele Wien, München, Paris, Bukarest, Konstantinopel regten seine Phantasie an – und steigerten sich zu der Frage nach den technischen Mitteln, die für eine Reise zum Mond nötig wären. „Schöpferisch-visionäres Denken“, verbunden mit „notorischem Widerspruchsgeist“ ließen sich schon früh bei ihm erkennen. Wie für viele Schüler seiner Generation waren die Werke Jules Vernes seine entscheidenden Wegweiser in den Weltraum. Bei Oberth ging es so weit, dass er rechnerisch überprüfte, ob ein Flug mit Kanonenkugeln zum Mond, wie ihn Jules Verne schildert, technisch möglich sei. Seine Erkenntnis: Zwar stimmten die Fluggeschwindigkeiten und die Flugdauer, die Verne nannte, doch sei es für einen Menschen unmöglich, mit einem Kanonenprojektil zu fliegen, da er den starken Andruck bei Start des Projektils nicht überleben würde. Es war also notwendig, einen Flugkörper zu konstruieren, dessen Fluggeschwindigkeit sich allmählich steigerte. Mit sich selbst begann er zu experimentieren und gelangte zu dem Ergebnis, dass eine solche Reise durchaus physisch und psychisch zu bewältigen war.

1909 legte er den ersten Entwurf einer bemannten Rakete vor, der sich jedoch als nicht realisierbar herausstellte. 1911 konzipierte er eine Zentrifuge, mit der er die menschliche Widerstandskraft gegen hohen Andruck testete. Sie wurde beim Astronautentraining angewandt. 1913 begann er ein Medizinstudium an der Universität München, das er schon bald unterbrechen musste: Im Ersten Weltkrieg kämpfte er an der Ostfront, wurde 1915 verwundet und blieb bis Kriegsende als Sanitätsfeldwebel im Schäßburger Lazarett. Jede freie Minute widmete er der Raumfahrt, schmiedete weiter Pläne und führte Berechnungen durch. 1917 stellte er der Reichswehr den Entwurf einer „10 Tonnen Nutzlast tragenden Rakete mit etwa 600 km Reichweite“ vor, eine „echte Herausforderung an die Technik der damaligen Zeit“.

Nach Kriegsende setzte er sein Studium an den Universitäten Göttingen, Heidelberg und Klausenburg fort, wechselte von der Medizin auf Mathematik und Physik. 1920 lieferte er den ersten Entwurf einer zweistufigen Rakete, in den folgenden Jahren entwickelte er eine detaillierte Theorie des Weltraumflugs. Doch das Manuskript seiner Abhandlung über die Raketentheorie wurde als Dissertation an der Heidelberger Universität nicht angenommen, weil es niemanden gab, der in der Lage war, eine Bewertung vorzunehmen: „Für die Astronomen war sie zu technisch, für die Maschinenbauer zu phantastisch und für die Mediziner abseits jeder Realität“, resümiert Oberth im Rückblick. Er ging nach Klausenburg, legte dort sein Staatsexamen ab, so dass er in Rumänien an höheren Schulen unterrichten durfte. Die zurückgewiesene Dissertation erschien 1923 unter dem Titel Die Rakete zu den Planetenräumen im Verlag R. Oldenbourg. Wernher von Braun würdigte Oberths Leistung in seinem Vorwort zu einer Neuausgabe des Buches: „Hermann Oberth war der erste, der in Verbindung mit dem Gedanken einer wirklichen Weltraumfahrt zum Rechenschieber griff und zahlenmäßig durchgearbeitete Konzepte und Konstruktionsvorschläge vorlegte.“

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt