Münchner Fasching

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/2015/klein/lion_alb3_img18_500.jpg
Antikes Fest am 22.2.1903 in der Wohnung von Hanna und Karl Wolfskehl, Leopoldstr. 51. Vordere Reihe: Franziska zu Reventlow; Bildmitte: Stefan George; hintere Reihe Mitte: Karl Wolfskehl als Dionysos. (Münchner Stadtmuseum, Hoerschelmann- Archiv)

Der Münchner Fasching wurde im Fin de Siècle zum Ereignis. Hatte Kurfürst Max Joseph 1775 noch bei Wolfgang Amadeus Mozart eine komische Oper – Die Gärtnerin aus Liebe – in Auftrag gegeben, so feierten die Münchner Künstler hundert Jahre später in eigener Regie. 1895 wurde in der Schwabinger Brauerei, die sich bald zu einer Hochburg des Faschings entwickelte, zum ersten Mal die „Schwabinger Bauernkirchweih“ gefeiert. Legendär sind die Atelier- und Künstlerfeste. Unumstrittener Höhepunkt der Schwabinger Ballsaison 1903 war das Wolfskehlfest, das am 22. Februar in der Wolfskehlschen Wohnung in der Leopoldstraße stattfand und das Franziska zu Reventlow in ihrem Roman Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil schildert. Auch Marta Feuchtwanger erinnert sich an einen unvergesslichen Künstlerball:

Ich musste zurückdenken an die Zeit vor unserer Verheiratung, als wir, in Begleitung und unter Aufsicht meiner Eltern, den berühmten Bühnenball besuchten. Der Münchner Fasching war damals etwas ganz Besonderes, das es weder in Paris noch in Köln noch in Berlin gab. Er wurde vor allem von Künstlern veranstaltet, mit der heitersten Dekoration, den geschmackvollsten Kostümen, oft ganz billig und anspruchslos, doch mit einer Hingabe an die Fröhlichkeit, die nur ein Vorspiel war, nicht wie in anderen Städten schon die Erfüllung. Es gab zwar genau nach neun Monaten viel außereheliche Kinder, doch was während des Festes geschah, war von natürlicher Unbefangenheit. Überschäumend war ein Gruppentanz, Francaise genannt, bei dem die Frauen hochgehoben und jubelnd herumgewirbelt wurden.

Lion führte mich auf dem Fest gerade durch die Menge, als er gerufen wurde: es war der Schriftsteller Waldemar Bonsels. Er sah aus wie Dorian Gray, war blass, elegant, zynisch, verschwenderisch.

(Marta Feuchtwanger: Nur eine Frau, a.a.O., S.21ff.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt