Napoleonische Kriege

Ein anderer wichtiger Teil des Romans sind die Napoleonischen Kriege. Wie bereits erwähnt, stirbt Count Waldering zu Beginn der Geschichte in einer Schlacht. Drei weitere Charaktere sind Teil des Militärs: Frank des österreichischen und Emmeran und Sigmund des bayerischen. Auch die anderen Familienmitglieder, die nicht aktiv an den Kämpfen teilnehmen, sind von den Geschehnissen betroffen. In ihrer Zeit am Chiemsee zieht eine französische Armee durch die Nachbarschaft und plündert den Besitz der Einwohner*innen. Vier Jahre später lebt die Familie in Ulm, um ein Haus, das Hilda erbt, in Besitz zu nehmen; dort erleben sie die Belagerung der französischen Armee von 1805. Tautphoeus zeigt die Ereignisse in Ulm aus unterschiedlichen Perspektiven. Hilda hilft den Verletzten aus:

während Hilda […] in der damals in Ulm gewöhnlichsten Beschäftigung fortfuhr, nämlich im Anfertigen von Charpie und Bandagen für ein zeitweiliges Lazareth, welches damals und auch zur Zeit noch im sogenannten Wenger-Kloster eingerichtet worden war. Der Tisch vor ihr war mit langen Streifen festgerollter, dabei sorgsam sortirter Bündel von Leinwand, dann mit Haufen von feiner und grober Charpie bedeckt, so daß der neben ihr stehende Korb gar nicht Alles zu fassen vermochte. Dennoch aber fuhr sie mit Zuschneiden, Aufrollen und Zusammenlegen fort.

(Uneins, Bd. II, S. 21)

Einige Seiten später aber fällt Ulm an Frankreich und die Reaktion der österreichischen Armee wird beschrieben.

Nun, obgleich dem jüngsten österreichischen Lieutenant nicht verborgen sein konnte, daß man mit fünfundzwanzigtaußend Mann in einer schlecht befestigten Stadt, umschlossen von Napoelon’s ganzer Armee, keine andere Wahl habe, als sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, so war dennoch der Kummer und Aerger allgemein und grenzenlos. Niemand unternahm die Vertheidigung des unglücklichen Kommandanten, und nur Wenige versuchten in dieser trüben Stunde die unvermeidlichen und lange vorhergesehene Uebergabe zu rechtfertigen, welche seither von urtheilsfähigen Richtern lediglich als die unvermeidliche Folge eines früheren Fehlers, nämlich des nicht rechtzeitigen Rückzugs nach Tyrol, erklärt worden ist.

(Uneins, Bd. II, S. 59)

Jahre später findet sich die Familie in Innsbruck wieder, das nun bayerisches Territorium ist und in dem sie den Aufstand der österreichischen Bevölkerung, geleitet von Andreas Hofer, miterleben. Sigmund stirbt in einer Schlacht, in der auch Emmeran schwer verletzt wird, und Hilda und zwei ihrer Bekannten werden später von Widerstandskämpfern entführt (und von Frank gerettet). Tautphoeus gibt zwar keine Quellen an, weist aber immer wieder durch Fußnoten darauf hin, wenn es sich bei einem Ereignis im Roman um einen ‚Fakt‘ handelt oder wenn sie Aussagen von historischen Persönlichkeiten wie Andreas Hofer übernimmt.

Auch die familiären Beziehungen sind von den aktuellen politischen Ereignissen in Bayern und Europa geprägt: Countess Waldering, Doris und Frank stellen sich auf die Seite Österreichs und hoffen während der Attacken Napoleons gegen Bayern auf russischen Beistand, während Director Waldering, Sigmund, Emmeran und Hilda (zunächst) auf Napoleons Führungsstärke vertrauen. Diese Konstellation führt zu Uneinigkeiten zwischen den Charakteren, die, wie die Länder, die sie symbolisch vertreten, at odds, also ‚uneins‘, sind.

Weitere Kontraste zwischen den Charakteren entstehen auch durch ihre unterschiedlichen Herkünfte. Die Autorin weist immer wieder explizit in den Dialogen auf Unterschiede zwischen Bayern und Irland hin, beispielsweise die verwilderte Natur in Bayern im Vergleich zu den geordneten Rasen in Irland. Bayern wird im Vergleich zu Irland auch in mehrfacher Hinsicht als prüde dargestellt: Doris erklärt Frank „daß die Leute hier in den Salons nicht fluchen, daß sie auch nach dem Essen nicht trinken, wie in Irland, und so weiter“ (Uneins, Bd. I, S. 68). Frank beschwert sich darüber, dass ein unbeaufsichtigter Ausflug zwischen einem Cousin und einer Cousine in Irland ganz normal ist, aber in Bayern falsch aufgefasst werden könnte – eine Sorge, die sich später als berechtigt herausstellt (Uneins, Bd. I, S. 146).

Verfasst von: Johanna Hadyk