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03.04.2023, 11:13 Uhr
Bernhard M. Baron
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Foto: Reinhold Willfurth

Von der „Grand Tour“ bayerischer Dichter und Schriftsteller nach Malta

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Bild von Arnold Müller auf Pixabay

Kannte man Malta als literarischen Topos bisher nur aus Homers Odyssee, im Drama Der Jude von Malta (1590) von Christopher Marlowe oder im Kriminalroman Der Malteser Falke (1930) von Dashiell Hammett, so kann man den mediterranen Inselarchipel zwischen Sizilien und der Küste Nordafrikas durchaus noch aus anderer Perspektive verorten. Bereits am 4. Februar 2009 hat der ehemalige Weidener Kulturamtsleiter Bernhard M. Baron als Mitglied der Deutsch-Maltesischen Gesellschaft und des German-Maltese Circles vor Letzterem in Valletta einen Vortrag gehalten („MALTA in der deutschsprachigen Literatur: Mein Kreuz giebt Maltha mir zum Vaterland [Christian August Vulpius, 1804]“). Aus seiner Sicht haben auch bayerische Literaturschaffende an Malta ihren Anteil, den Baron, der bis zum Sommer 2019 selbst auf Malta lebte, im folgenden kaleidoskopartigen Bogen aufzeigt.

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Albrecht Dürer tat es aus Studienzwecken („zu den Quellen des Lichts“), Goethe aus Leidenschaft und Gottfried Seume nach Goethes Inspiration: Seit etwa 1500 zog es immer wieder Künstler, Intellektuelle und vor allem finanziell ausgestattete Adelige über die Alpen nach Rom und darüber hinaus in den Süden, ins Land „wo die Zitronen blühen“, zur sog. Erziehungs- und Bildungsreise oder „Grand Tour“, wovon sich letztlich unser Wort „Touristen“ ableitet. Heute sind Kulturreisen in, meist erschwinglich und durchführbar dank Literaturreiseführern.

1586 startet auch der fränkische Ritter Hans Ludwig von Lichtenstein auf seiner „Kavalierstour“ nach Malta (Große Reisen und Begebenheiten der Herrn Wolf Christoph von Rotenhan, Herrn Hannß Ludwig von Lichtenstein, Herrn [...] nach Italien, Rhodos, Cypern, Türkey [...] in das gelobte Land, 1585-1589).

Abt Anselm Desing (1699-1772), Oberpfälzer Universalgelehrter des 18. Jahrhunderts aus Amberg, schreibt im Kloster Ensdorf das Werk, das ihn letztlich berühmt gemacht hat: AUXILLA HISTORICA oder Historischer Behülff- und Bequemer Unterricht von... verl. bei Joh. Gastl; Stadt am Hof (Regensburg), 1746. Sein Lehrbuch wird zum gängigen historischen Handbuch. In Teil I findet sich auch eine Beschreibung der Insel Malta:

1. Die Insel ist an sich selbst nichts als ein purer weisser Stein=Felsen.
[...]
2. Das übrige der Insel ist mit einem Volck bewohnet, welches Arabisch redet, und soll sich selbes auf 100000 erstrecken, so alle, im Fall der Noth, fechten müssen. Sie leben auch hier gantz sicher: dann die See-Räuber lassen sich nimmer gelüsten, da einen Ausfall zu thun: Die gifftig= und schädliche Thiere, wann sie auch anders wo hergebracht werden, sterben, oder seynd da ohne Schaden. Die Grösten Feinde seynd erstlich die grosse Sonnen=Hitz, hernach die Überaus häuffige Schnacken.

1827 erwirbt der bayerische König Ludwig I. in Rom die sog. „Villa Malta“, deren Namen dem Malteser Orden entlehnt ist. Sie bleibt bis 1878 im Besitz der Wittelsbacher.

Der gebürtige Oberpfälzer Joseph Baierlein (1839-1919), Jugend-, Abenteuer- und Heimatschriftsteller, einst im bayerischen Staatsdienst, unternimmt zahlreiche Fahrten nach Nordafrika. Als Angehöriger der Armee von König Franz II. von Neapel kommt Baierlein 1861 auch nach Malta. Hier entstehen die Erzählung Am Seil (1898) und die Novelle Sylvio Spreti (1898).

Otto Julius Bierbaum (1865-1910), gebürtiger Schlesier mit italienischer Ehefrau und seit 1887 mit Münchner Wohnsitz, unternimmt 1908 eine Mittelmeerfahrt, die ihn nach Malta führt. Yankeedoodle-Fahrt heißt sein hieraus entstandener satirischer Reisebericht. Treffend skizziert er Frauen und Kirchen im 7. Kapitel.

Der Münchner Schriftsteller von Jud Süß und Erfolg, Lion Feuchtwanger (1884-1958), wird anlässlich seiner Nordafrika-Reise am 3. August 1914 in Marokko vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht. Ihm droht die Internierung. Ein maltesischer Kellner gibt Feuchtwanger seinen Pass, wodurch dieser durch alle Kontrollen und zurück nach Deutschland kommt.

Der spätere Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Münchner Schriftsteller Peter de Mendelssohn (1908-1982), war öfters auf Malta. 1933 emigriert er – in Deutschland als Jude verfolgt – nach Großbritannien und tritt in den englischen Staatsdienst ein (bis 1950). Als meisterhafter Übersetzer hat sich de Mendelssohn ebenfalls einen Namen gemacht. Mit seinen „Maltesischen Notizblättern“ als Nachwort zu seiner Übersetzung von Quentin Hughes' Malta (1972) schreibt er eine liebenswerte Hommage auf den maltesischen Archipel:

Gozo, meinte der Freund und Reisekamerad, sei Maltas Krone. Ob ich hier leben möchte?
Ja, erwiderte ich. Mein letztes Lebensjahr. Und dann in Mdina. Dort wüsste ich, am Ende aller Tage, wer ich bin.

Während des Zweiten Weltkriegs muss der Sanitätsflieger Walter Höllerer (1922-2003) vor Malta notwassern. Höllerer gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller der Nachkriegsliteratur („Gruppe 47“) und ist 1976 Begründer des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg.

Thomas Mann-Tochter Elisabeth Mann-Borgese (1918-2002), Ozeanologin, Seerechts-Professorin und Erzählerin, hört 1967 die Rede des maltesischen Botschafters Arvid Pardo, in welcher er die Weltmeere zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt. Noch im gleichen Jahr gründet sie das „International Ocean Institute“ (IOI) mit Sitz in Malta (Fort St. Luciano bei Marsaxlokk). Mann-Borgese wird Schirmherrin des Thomas-Mann-Förderkreis in München. Am 3. August 2005 hat der Autor dieser Zeilen die Inszenierung der Kammeroper ELISABETH; or to be a MANN von Charles Camilleri im Open-air-Theater von Valletta-Waterfront selbst miterlebt.

Zu einem gemeinsamen Kulturtrip in Malta kommen der gebürtige Bayreuther Schriftsteller Max von der Grün (1926-2005) mit seiner englischen Ehefrau Jennifer und dem in Anterskofen-Reisbach (Niederbayern) lebenden befreundeten Dramaturg und Schriftstellerregisseur Hans Dieter Schwarze (1926-1994) mit dessen Ehefrau Helga von Wangenheim auf die „Insel der großen Mutter“.

Die Münchner Schriftstellerin Barbara Bronnen (1938-2019) zeigt in dem Roman Die Diebin (1982) ihr Interesse „für ein maltesisches Terrakotta-Weibchen, dessen Brüste, Schenkel, Bauch die gleichen Proportionen hatten...“

Ausstellungseröffnung im CityCenter in Weiden, 20. Weidener Literaturtage 2004: Der maltesische Botschafter William Spiteri (Mitte), Bernhard M. Baron (rechts) und seine Frau, die maltesische Malerin Mary Baron-Muscat (links). Foto: Bernhard M. Baron.

Wolfgang Jeschke (1936-2015), der wohl bedeutendste deutsche SF-Schriftsteller und SF-Lektor des Münchner Heyne-Verlags, lässt seine SF-Novelle Meamones Auge (1994) auf „Malta Nuova“ spielen. Es ist dies eine reizende Geschichte von „Meta, einem Mädchen aus dem uralten maltesischen Geschlecht der Patini“. Das Raumschiff Primavera wird mit der Hymne des Musikkorps empfangen; „und dann hallte der Himmel wider von zehntausend stolzgeschwellten Kehlen“:

Du, mein Malta,
glückliches Land,
unter fremdem Himmel
die Heimat fand.

Du, mein Malta,
stolzeste Stadt,
die den Segen der Monde
und Sterne hat.

Du, mein Malta,
gesegnete Flur,
trägst nun für ewig
des Menschen Spur.

Du, mein Malta,
schützender Hort,
wirst uns behüten
immerfort.

In seinem Reiseroman Spaghetti Junction (1995) erzählt Tiny (Heinrich) Stricker (Jg. 1949), deutscher Ableger der Beat-Generation, von vielfältigen Begegnungen auf einer Reise von Malta über London nach Schottland.

Sami oder Wohin der Zufall führt... (2004) heißt der Liebesroman der fränkischen Grundschullehrerin Edeltraud Glaab, die mehrere Malta-Aufenthalte prosaisch verdichtet. Eine Liebesgeschichte auf der Sonneninsel zwischen der Deutschen Lisa und dem Libyer Sami, in der sinnvolle Zufälle eine große Rolle spielen:

Diese einsame, karge, nackte Felsenlandschaft legte auch in mir ungekanntes Land bloß. Ich wusste seit langem, dass jede Landschaft ihre eigene Ausstrahlung auf den Menschen hatte, ihn etwas über sich selbst mitteilen wollte, wenn er dazu bereit war.

Wer sich die Mühe macht, findet tatsächlich die angegebenen Orte auf der magischen Insel.

Ende Oktober 2014 besucht der mehrfach preisgekrönte Oberpfälzer Romancier und Dramatiker Werner Fritsch (Jg. 1960), jetzt in Berlin lebend, mit seiner Ehefrau, der Lyrikerin und Übersetzerin Uta Ackermann, und seinen beiden Töchtern die Insel Malta und macht – auf Spurensuche des Matriarchats – Aufnahmen für den zweiten Teil seines experimentellen Film-Gedichts Faust-Sonnengesang.

Sein Wochengedicht MALTA (16.1.2014) widmet der Oberpfälzer Schriftsteller Wolfsmehl (Jg. 1960) schließlich dem Oberpfälzer Autor dieser Zeilen, der zu dieser Zeit noch „in der Fremde weilt“:

MALTA

An der Küste ist die Zeit zugegen
Rundet, zerkleinert
Zeigt ihre Macht
Zeigt ihre Unvergänglichkeit
Trägt den Blick aufs Meer
Holt ihn zurück
Lässt ihn zerschellen
Immer wieder
Zerschellen!
Alles, was sich dann wiederfand:
Die Freunde, die Heimat, das Bayernland
Die Zeit! Die Zeit!

Sekundärliteratur:

Arlt, Wolfgang; Münzberg, Olaf; Singh, Rajvinder (1989): Malet. Literatur aus Malta, in der Reihe Das arabische Buch, Berlin.

Brilli, Attilio (2012): Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des modernen Tourismus: Die „Grand Tour“. Wagenbach, Berlin.

Freller, Thomas (2009): Malta and the Grand Tour, in der Reihe Maltese Social Studies, Malta.

Galea, Michael (2021): Malta as seen through the eyes of three German Visitors in 1892. In: Times of Malta vom 25. Mai.

Weidermann, Volker (2023): Mann vom Meer. Thomas Mann und die Liebe seines Lebens. Köln.

Externe Links:

Malta in der deutschsprachigen Literatur auf der Website des GMC

Deutsch-Maltesische Gesellschaft e.V. (Bonn-Adenau)

German-Maltese Circle (Valletta/Malta)

Malta in der Wikipedia

Villa Malta in der Wikipedia