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29.05.2010, 20:04 Uhr
Peter Czoik
Text & Debatte

Medien und Kommunikation bei Rainald Goetz

Die Entwicklung hin zur Offenheit zieht insbesondere das Interesse für die Medien, i.w.S. die Vielheit der privaten wie öffentlichen Stimmen, nach sich. Goetz versteht unter Sprache die „sich ununterbrochen ändernde Lebendgestalt“, weshalb er sie nicht in einer übergreifenden Schau von Sätzen, sondern aus einer hochgetriebenen Empfänglichkeit für die Rede der anderen heraus begreift. Das Streben nach Durchlässigkeit beruht auf einem Urvertrauen in die Sprache, worunter auch das alltägliche Sprechen und Schreiben fällt.

Zitiert wird bei Goetz daher aus verschiedenen Medienformaten: aus der Harald Schmidt-Show, für deren Wort-Präsentationen Goetz ein Faible hat, aus Nachrichtenmagazinen sowie Fußball-Reportagen. Zwar finden sich bei ihm auch medienkritische Ansätze, vor allem gegen BILD, Springer & Co.,[1] doch bilden derartige Äußerungen nur einen Nebenaspekt. Goetz ist vielmehr ein Apologet des Fernsehens, als dass er die Kritik, z.B. an der selbsttätigen Erschaffung von Wirklichkeit in der Kriegsberichterstattung, überspannen würde. Denn dem Fernsehen eignen mindestens zwei Dinge: einmal die mediale Gemeinsamkeit zwischen Rentnern, Arbeitslosen, Kindern und Intellektuellen („Die, die halt daheim sitzen [...] die Ausgemusterten, die Gestörten, die noch nicht wirklich Agierenden“), die für innergesellschaftlichen Ausgleich sorgt; dann die Zeigbarkeit von Gesichtern während der Rede, die prägnanter wirkt als tote Schrift, „solange sie nur WIRKLICH live und neu entsteht im Inneren dieses augenblicklich seine Gedanken aussprechenden Kopfes“. Fernsehen, das Nah-Medium schlechthin.

Kommunikation, Denken und Bildlichkeit

Für die Literatur wird damit ein Raum zugänglich, der ihr da, wo Schrift war, bislang verschlossen geblieben ist. Goetz behauptet sogar, dass dank des Fernsehens „viel mehr Sprache in der Welt“ sei als zu Goethes Zeiten.

Geht man noch einen Schritt weiter und fragt nach der Art der Kommunikation in Rainald Goetz' Werk, so nimmt der Autor kritisch Stellung zu Denkverboten: „Kommunikationen durch explizite Ideale regulieren zu wollen, ist ähnlich unmöglich wie das Steuern von Gedanken [...]. Ich will nur noch das und das denken, dies keinesfalls. Interessanter Vorschlag, denkt das Denken, und krallt sich sofort am Ausgeschlossenen fest“ (Abfall für alle).

Seine Erwägungen führen dahin, den anderen in seiner Andersheit zu verstehen, nicht dessen Position (einfach) zu übernehmen. Die Aspekte der Performanz, der Wirkung im Beisein mehrerer Personen, sollen aufgewertet und dem abstrakten Gehalt der Gedanken vorgezogen werden. Das kann bis zum Dank für die „freundliche Unterstützung“ eines Werkes gehen, womit die ökonomische Bedingtheit des Denkenden sowie das Eingebettet-Sein des Kunstwerks in eine Institution berührt wären. Die Blindheit für die eigene Gestalt, für das Bild, das man – und das Denken – von sich macht, wertet Goetz um in die Reflexion darüber, dass Denken und Bildlichkeit so eng wie nur irgendwie möglich zu verstehen sind. Nicht zuletzt seine Vorliebe für das Medium Fernsehen zollt dieser Vorstellung Anerkennung, zumal dort die Sprache stärker an ihre Affinität zum Bildlichen gebunden ist als anderswo.

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[1] Z.B. in der Harald Schmidt-Show vom 8. April 2010: Schmidt: „Lesen Sie Die Welt?“ [...] Rainald Goetz: „Die Welt (Tageszeitung) kommt aus dem Ort der Hölle. Aus dem Orte Springer. Deshalb hat sie keine Chance.“

Sekundärliteratur:

Windrich, Johannes (2007): Technotheater. Dramaturgie und Philosophie bei Rainald Goetz und Thomas Bernhard. München.